Die rote Halle
Josef war im Krankenhaus. Wie konnte er von dort aus Simon gefangen
halten oder ihm etwas antun? Und warum sollte Dave sterben?
Dave brauchte eine halbe Minute oder länger, bevor er auf Janinas
Frage antwortete.
»Ich habe sie nicht geliebt. Und alles geht so durcheinander. Erst
habe ich plötzlich ein Kind, dann ist das Kind weg, dann ist es wieder da, und
dann soll plötzlich Rose â¦Â«
Dave hielt inne, und sein Blick, groà und dunkel, strahlte eine
solch ernste Gewissheit aus, dass Janina gar nicht auf die Idee kam, seine
Worte infrage zu stellen.
»Das war DeeDee. Sie hat Rose umgebracht. Sie hat sie gehasst.«
Janina nickte. Es war ihr egal. Wahrscheinlich war Simon schon seit
Tagen irgendwo eingesperrt. Dass Josef zusammenbrach, war ja von ihm nicht
geplant gewesen. Es gab Beweise, dass er ein Kinderficker war, und jetzt waren
sie wegen Dave dem Zuhälter auf der Spur, dessen Kunde er wahrscheinlich war.
Josef musste Dave loswerden. Das war logisch. Aber warum so umständlich?
Es war eben doch nicht logisch. Aber mit Logik kam sie hier auch
nicht weiter, weil Josef schon seit Beginn der Inszenierung nicht mehr richtig
funktionierte. Janina stand auf. Sie hatte eine Chance, und die würde sie nutzen.
Sie würde Josef einfach zwingen, ihr zu sagen, wo Simon war. Im Krankenhaus
konnte er ihr nicht weglaufen. Bis dahin â Maul halten.
»Ich muss Zeit haben zum Nachdenken, Dave. Allein. Ihr habt ja meine
Handynummer.«
Die Leiche war nicht schön. Keine Leiche, die eine Woche
herumgelegen hatte, war noch besonders schön. Die Haut wurde wächsern und
fleckig, und an den Stellen, wo der Körper auflag, begann er weich und feucht
zu werden, wie ein faulender Apfel ganz unten in der Obstschale, den man vergessen
hatte. Nur dass der Geruch weitaus übler war und auch erfahrenen Kollegen die
letzte Mahlzeit wieder hochkommen lieÃ.
Der Tänzer hatte seinen Magen im Griff, aber er wirkte hilflos,
beinahe orientierungslos auf Helge.
»Ist das Rose Berlin?«, fragte er.
Dave Warschauer nickte und wandte sich ab.
»Und? Das Eldorado? « , fragte Helge den Kollegen, der gerade zur Seitentür hereinkam und reflexartig
den Ãrmel auf Mund und Nase presste.
»Ist verlassen. Unten drunter sind mehrere Kellerzimmer, alles
schnell leer gemacht, wie es aussieht«, sagte er durch den Ãrmel.
Helge nickte und wandte sich wieder an Warschauer.
»Ihr Genick ist gebrochen. So etwas passiert nicht einfach so.«
Der Tänzer zog die Schultern hoch. »Ich weiÃ.«
»Haben Sie eine Vermutung?«
»Ich weià nicht. Es ist sehr stark, jemanden eines Mordes zu
verdächtigen. Ich hatte DeeDee in Verdacht, etwas mit Simons Verschwinden zu
tun zu haben. Und jetzt ist er einfach nur nach Hause abgehauen ⦠Ich will
denselben Fehler nicht noch mal machen.«
Helge wies Richtung Ausgang.
»Lassen Sie uns an die frische Luft gehen.«
DrauÃen lieà Helge Warschauer Zeit, ein paarmal gründlich
durchzuatmen, bevor er weitermachte. Sie liefen am linken Flügel des Flughafens
entlang, rechts ging es hinter der bemoosten Mauer in eine Art Graben hinab, in
dem Lastwagen und undefinierbare Maschinen parkten. Ein feiner Nieselregen
legte sich klebrig auf Helges Gesicht.
»Aber Sie verdächtigen sie trotzdem, richtig?«
Warschauer sah ihn von der Seite an, nickte.
»Warum?«
»Weil Rose ihr die Hauptrolle weggeschnappt hat, als sie sie schon
hatte. Genau genommen habe ich Rost unter Druck gesetzt, Rose die Rolle zu
geben.«
Helge nickte. Dieser Dave Warschauer entpuppte sich als ganz schon
durchtrieben. Die Frage war nur, warum er so freimütig darüber redete.
»Stichwort Josef Rost. Ich habe heute früh das Tagebuch erhalten.«
Seltsamerweise lächelte Warschauer. »Damit habe ich mir ins eigene
Knie geschossen, was?«
»Das Problem ist, dass man diesen Eintrag auf zweierlei Weise
interpretieren kann.«
Warschauer schien irritiert. »Wieso auf zweierlei Weise? Ich dachte,
es ist ziemlich eindeutig, was die Herren da getrieben haben.«
»Sie sagten, Sebastian Körner habe Selbstmord begangen.«
»Ja. Schauen Sie auf das Datum. An genau diesem Abend habe ich ihn
mit dem Föhn in Josef Rosts Badewanne gefunden. Das Tagebuch lag daneben.«
»Sie haben ihn also gefunden?«
»Nein, nicht ganz. Joe war kurz vor mir da. Er ⦠ich habe ihm
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