Die Rote Spur Des Zorns
schaltete die Maschine ein, schnappte sich die Pipette, die der Pilot an den Nachbarsitz geklemmt hatte, und sprang wieder nach draußen, um den Tank zu überprüfen.
Er war nicht voll, aber für einen Flug nach Glens Falls oder notfalls nach Albany reichte es allemal. Clare sog etwas Treibstoff in die Pipette und hielt sie in den fahlen, diesigen Himmel, um nach Wasser oder Ablagerungen zu suchen, die ein ernstes Problem darstellen könnten. Sah alles sauber aus. Sie stieg wieder ins Cockpit, überprüfte die »Buss«- und »Batt«-Schalter und klopfte mit einem Finger auf die Instrumententafel. Sie wusste, eigentlich sollte sie auch alle Lichter testen, denn diese Maschine war ihr neu, aber im Moment kam es auf jede Sekunde an. Sie überzeugte sich, dass der Feuerlöscher hinter dem Pilotensitz voll war. Dann kletterte sie wieder ins Freie, um die Vertäuung zu lösen und mit dem Außencheck zu beginnen.
Sie hatte die rechte Seite des Hubschraubers schon überprüft, die Vertäuung vom Hauptrotor gelöst und schloss gerade den Getriebekasten am Heckrotor, da hörte sie vom Weg her Geräusche.
»Hey! Clare!« Russ erschien aus dem Wald, dicht gefolgt von Peggy. Sie trug eine große L. L.-Bean-Leinentasche. Clare duckte sich unter dem langgezogenen Heck des Bell hindurch. Russ’ Hemd klebte ihm auf der Brust, wo es einen nassen Fleck bildete, und seine Haare schienen wie angekleistert. Peggy griff in ihre prall gefüllte Tasche, um ihm eine von Kondenswasser tropfende Flasche zu reichen. Er schraubte die Verschlusskappe auf, goss sich einen Schwall Wasser über den Kopf und schüttelte dann sein dünnes Haar wie ein Hund.
»Ist er noch am Leben?«, fragte Clare, während Peggy eine zweite Flasche hervorzog und sie ihr gab.
Russ trank den Rest der Flasche fast vollständig aus und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Ja. Er hat zwar nicht geantwortet, aber leicht bewegt hat er sich. Er liegt sechs bis sechseinhalb Meter tief. Ms. Landry sagt, Sie hätten da so eine Schnapsidee – dass Sie ihn mit dem Hubschrauber rausholen?«
Clare trank einen Schluck von dem fast schmerzhaft kalten Wasser und drehte sich wieder zu der Maschine herum. »Das ist keine Schnapsidee.« Sie ging auf die linke Seite des Rumpfs, um Triebwerk und Schaltung zu überprüfen.
»Ist es doch, verdammt! Nicht dass ich an Ihren Flugkünsten zweifeln würde, aber wie stellen Sie sich diese Bergung eigentlich vor?«
Sie blickte von den Hydraulik-Servos auf. »Ich werde es ja nicht im Alleingang tun. Sie helfen mir.«
Er hob beide Hände. »Oh, oh! Nicht so schnell.«
»Die Maschine ist zum Laden und Transportieren ausgestattet. Ich fliege über die Unglücksstelle, Sie steigen in das Netz, und ich lasse Sie auf den Grund dieser Felsspalte hinunter. Nachher ziehe ich Sie und Waxman wieder rauf.«
Russ’ Gesicht signalisierte eisernen Protest. »Das ist Wahnsinn.«
»Ist es nicht. Ich gebe zu, an einem stürmischen Tag würde ich es nicht versuchen, aber es ist absolut windstill. Der Hebebaum lässt sich direkt vom Cockpit aus bedienen. Ich brauche gar nicht von meinem Sitz aufzustehen.« Sie verriegelte den Getriebekasten und erklomm den Rumpf, um das Hydraulikreservoir zu testen.
»Und wenn was passiert? Wenn Sie die Wahl haben, entweder aus dem Cockpit zu springen oder … oder mich abzuwerfen?«
Sie blickte vom Hauptrotorkopf auf, den sie gerade überprüfte. Russ klang beinahe panisch. »Die Maschine hat einen Vier-Achsen-Autopilot, Russ. Wenn Sie mich brauchen, bin ich da.« Sie deutete auf den Schuppen am Rande der Lichtung. »Ich habe in der Kabine keine Kopfhörer gesehen; sie dürften wahrscheinlich dort drin sein. Also fürchte ich, wir müssen einbrechen. Aber wenn Sie Kopfhörer aufhaben, können wir uns die ganze Zeit verständigen.« Sie schwang sich von dem Hubschrauber und kroch mit eingezogenem Kopf unter den Rumpf, um das Landegestell zu checken.
Russ sank ihr gegenüber in die Hocke. »Ich kann das nicht.«
»Natürlich können Sie.«
»Nein. Sie verstehen nicht. Ich kann das nicht .« Er sprach jede Silbe langsam und deutlich.
Und schließlich begriff sie den Sinn dessen, was er sagte. »Haben Sie Angst? Vorm Fliegen?«
Russ’ Mund bewegte sich, als brächte er kaum die Worte heraus. »Mit Hubschraubern.«
»Sie haben Angst, mit Hubschraubern zu fliegen? Mein Gott, Sie waren doch in der Army. Sie müssen doch schon Hubschraubertransporte mitgemacht haben.« Clare ging auf die Zehenspitzen, um
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