Die roten Blüten der Sehnsucht
beschwichtigend. » Dann meint man immer, man würde noch Schimmel ansetzen vor lauter Feuchtigkeit. Nimm noch eine Tasse Tee, das wärmt.«
» Worüber beklagen Sie sich? Zumindest haben wir wenigstens ein festes Dach über dem Kopf. Nicht wie die Schwarzen in ihren Laubhütten, wo es überall durchtropft.« Lady Chatwick sah ihn herausfordernd an. » Das bisschen Regen sollte einem echten Engländer nicht zu schaffen machen.«
» Ich habe doch nur gefragt, ob es noch lange anhielte«, sagte Percy in einem schwachen Versuch, sich zu verteidigen. » Diese nicht enden wollende Sintflut unterscheidet sich nämlich ganz deutlich von einem sanften, englischen Landregen.«
» Ja, das Klima ist schon sehr unterschiedlich«, gab Ian ihm recht. » Man hat den Eindruck, jetzt bräche all der Regen, der uns im Sommer vorenthalten wurde, mit Zins und Zinseszins über uns herein. Ist es nicht in Indien ähnlich? Ich habe so etwas gehört.«
» Ja, dort nennt man ihn Monsun. In London hat mir einmal ein Kaufmann erzählt, dass die Überflutungen manchmal so schlimm waren, dass er nur noch mit einem Boot von seinem Wohnhaus auf dem einen Hügel zum Warenlager auf dem gegenüberliegenden gelangen konnte.« Percy schien dankbar über die Ablenkung und plauderte eine Weile über die Erlebnisse dieses Kaufmanns. Indien! Eine Zeit lang hatte allein schon dieses Wort ihr einen Stich versetzt. Inzwischen schien die Affäre mit Miles Somerhill in einem anderen Leben stattgefunden zu haben. Ohne die Folgen dieser Affäre hätte sie damals nicht Robert heiraten müssen. Vielleicht hätte sie Ian dann so getroffen, wie er sich das gewünscht hätte? Ach nein, sie wäre dann ja die Frau von Miles gewesen, rief sie sich in Erinnerung und wunderte sich, dass ihr so viel daran gelegen hatte, ihren damaligen Kollegen zu heiraten. Nach all den Jahren konnte sie sich kaum noch an sein Gesicht erinnern. Er war ziemlich überzeugt von sich gewesen. Das hatte sie als junges Mädchen beeindruckt. Aber im Grunde war er ein durch und durch feiger Charakter gewesen. Welch ein Unterschied zu Robert. Und erst zu Ian! Beide Männer hatten ihr in ihren dunkelsten Stunden, jeweils auf ihre Art, beigestanden.
Gottes wunderbare Wege waren tatsächlich nicht vorauszuahnen. Sie schrak auf, als ihr Name fiel. » …findest du nicht, Dorothy?«, trompetete Lady Chatwick triumphierend.
» Entschuldigung, ich war gerade in Gedanken«, sagte sie hastig und sah in die fragenden Gesichter rundum.
» Das war nicht zu übersehen«, bemerkte Lady Chatwick trocken. » Es ging darum, dass wir uns nicht ganz einig waren, ob ein hübsches Kaminfeuer oder ein gut bestücktes Kohlebecken die scheußliche Kälte hier drin besser vertreiben würde. Ich bin für das Kaminfeuer.«
» Ich auch.« Catriona starrte nachdenklich auf den leeren Feuerbock in der Feuerstelle. » Flammen wirken so lebendig. Als ob sie einen eigenen Willen hätten. Sie tanzen, als ob es ihnen Spaß machte, das Holz zu fressen. Nicht so langweilig wie Kohlen, die allenfalls mal die Farbe wechseln, wenn man in die Glut pustet.«
Ian sprang auf. » Schon gut, ich gehe Holz holen. Parnko sagte vorhin sowieso etwas von einem Haufen Riesenstämme, die er alleine nicht bewegen könne.« Er stapfte aus dem Raum, und man hörte ihn lautstark nach Parnko und John rufen. Parnkos Aufgabe war es, täglich das Schwemmholz einzusammeln, das am Bootssteg antrieb, und in einem Schuppen zum Trocknen aufzuschichten. Es war erstaunlich, welche Mengen an Ästen und sogar ganzen Baumstämmen der Fluss mit sich führte. Es reichte für die Aborigines und für sie. Am Oberlauf mussten komplette Wälder von den Fluten mitgerissen worden sein.
» Willst du ihm nicht helfen gehen«, zischte Catriona ihrem Bruder zu.
Percy sah überrascht auf, stammelte: » Ja, natürlich«, und eilte aus dem Zimmer.
» Sind Sie sicher, dass er ihm von Nutzen sein kann?«, fragte Lady Chatwick mit anzüglichem Lächeln und goss sich einen tüchtigen Schluck Portwein in ihren Tee. » Parnko und John dürften als Hilfe ausreichen. Er ist ja nicht gerade– wie soll ich sagen?– übermäßig geschickt.«
» Desto nötiger, dass er sich übt«, gab Catriona zurück, ohne von ihrer Näharbeit aufzusehen. » Ehe er hier herumsteht und über das Wetter jammert, kann er zumindest versuchen, sich nützlich zu machen.«
» Wollen wir hoffen, dass er das schafft«, murmelte Lady Chatwick mit deutlichem Zweifel in der Stimme. » Ach, übrigens:
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