Die roten Blüten der Sehnsucht
jetzt trug sie das Tablett mit dem Teegeschirr, als sei es aus Blei und nicht aus hauchdünnem, chinesischem Porzellan.
» Die gute Perkins ist auch nicht mehr die Jüngste«, bemerkte Lady Chatwick halblaut und sah ihr nach, wie sie mit schweren Schritten im Haus verschwand. » Wir sollten sehen, eine Hilfe für sie einzustellen.«
» Ian hat dem Vermittler in Adelaide schon vor Wochen den Auftrag gegeben, sich nach einem geeigneten Küchenmädchen umzusehen«, sagte Dorothea und fächelte sich träge Luft zu. » Aber es sind einfach keine passenden zu finden. Die guten sind fest in Stellung und denken nicht daran, in die Wildnis zu ziehen. Und die, die dazu bereit wären, taugen nichts.«
» Könnte Heather ihr nicht ein wenig zur Hand gehen?«
» Heather?« Jetzt war es an Dorothea zu seufzen. » Das Mädchen ist mit Pferdemäulern sorgsamer als mit unserem guten Wedgwood-Geschirr. Mrs. Perkins würde innerhalb einer Woche mit Krämpfen im Bett liegen.«
» Hm«, machte Lady Chatwick, nahm sich dann ein Herz und sprach aus, was ihr anscheinend schon lange auf dem Herzen lag: » Meine Liebe, ich möchte auf keinen Fall impertinent erscheinen, aber so geht das mit dem Mädchen einfach nicht weiter. Bitte, sieh es nicht als Vorwurf. Ich weiß ja, dass du dir alle Mühe mit ihr gegeben hast. Allein dir ist es zu verdanken, dass sie zumindest über eine rudimentäre Bildung verfügt– aber reicht das aus?« Auch wenn sie es nicht explizit aussprach, so schwang doch unterschwellig mit: » Um einen Mann zu finden.«
Im Stillen musste Dorothea ihr recht geben. Heathers Eigenwilligkeit und ihr burschikoses Auftreten waren nicht dazu angetan, junge Herren von Stand zu bezaubern.
» Was sollen wir tun? Sie einsperren?«, gab Dorothea leicht gereizt zurück. Neidisch folgte ihr Blick Parnko und Robert, die gerade mit nassen Haaren und vergnügten Mienen von einem erfrischenden Bad im Fluss zurückkehrten. Auch Ian ging, sooft es sich einrichten ließ, zum Schwimmen. Er hatte sogar angeboten, es ihr beizubringen. Dorothea konnte sich jedoch nicht dazu durchringen, in das von unzähligen Fischen bevölkerte Wasser zu steigen. Abgesehen davon scheute sie davor zurück, dass die Eingeborenen es als willkommenes Schauspiel betrachten könnten.
» Um Himmels willen, nein! Ich dachte an ein Institut für junge Damen«, sagte Lady Chatwick fast entsetzt. » Zufällig habe ich gerade den Brief einer guten, alten Freundin aus Sydney erhalten, in dem sie schrieb, dass es dort jetzt ein solches gebe und es einen ganz ausgezeichneten Ruf genieße. Die Absolventinnen sollen auf dem Heiratsmarkt überaus begehrt sein.«
» Ich werde Heather nicht in die Verbannung schicken, nur weil sie kein Zierpüppchen ist«, wehrte Dorothea vehement ab. » Heather und Sticktücher?« Die Vorstellung war so absurd, dass sie lachen musste. » Wenn sie älter und ruhiger geworden ist, wird sie selber einsehen, dass sie sich ändern muss.«
» Wird sie das?« Lady Chatwick hob zutiefst skeptisch die Augenbrauen. » Ich befürchte eher, je länger man sie in diesem Stil weitermachen lässt, desto beharrlicher wird sie daran festhalten. Es ist allerhöchste Zeit, ihr zu zeigen, dass es im Leben auch noch andere Dinge gibt als Pferde.«
Etwas Ähnliches hatte auch ihre Mutter gesagt und angeboten, Heather für eine Weile mit zu sich in die Stadt zu nehmen. Da Dorothea aber nur zu gut wusste, dass weder sie noch Lischen freie Zeit aufbringen konnten und Heather sich vermutlich zu Tode langweilen würde, hatte sie dankend abgelehnt. Ja, leider genügte ihre Stieftochter ganz und gar nicht den Maßstäben, die an eine junge Dame aus gutem Hause angelegt wurden. Gab sie sich einer Illusion hin, wenn sie darauf hoffte, dass Heather, sobald sie im richtigen Alter war, schon noch Geschmack an schönen Kleidern und Komplimenten entwickeln würde? » Heather wäre todunglücklich in einem solchen Institut«, wandte sie ein. » Wir sollten noch etwas abwarten.«
» Leider nützt es nach meiner Erfahrung wenig, unangenehme Entscheidungen vor sich herzuschieben«, sagte Lady Chatwick ungewöhnlich entschieden. » Die Zeit drängt. Je länger wir ihr ihren Willen lassen, desto schwerer wird es für sie, sich zu ändern. Gibt es nicht ein deutsches Sprichwort: ›Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr‹?«
Dorothea musste lachen, weil der englische Akzent das Deutsch dermaßen komisch klingen ließ. » Ich werde mit Ian darüber reden«, versprach
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