Die roten Blüten der Sehnsucht
klein und spärlich möbliert. Außer dem soliden Holzbett mit Schilfgrasmatratze gab es nur einen Stuhl, eine Hakenleiste und eine hölzerne Truhe mit Vorhängeschloss. Er selbst hockte in der typischen Sitzhaltung der Eingeborenen auf dem Fußende des Bettes und verscheuchte die Fliegen, die die Wunden umschwirrten. Ein Blechkrug voller Wasser mit einem Stück Schilfrohr als Trinkröhrchen stand griffbereit neben ihm.
Mrs. Perkins ging zum Fenster und zog mit einem energischen Ruck die rot karierten Gardinen beiseite. Wenn dies überhaupt möglich war, bot Mannara einen noch schlimmeren Anblick als in der Nacht zuvor. War es, weil man bei Lampenlicht nicht so gut gesehen hatte? Oder bildete sie es sich nur ein, dass die Blutergüsse stärker angeschwollen waren? Das Gesicht der jungen Frau war nur noch eine schwärzlich angelaufene Maske. Ein schrecklicher Anblick. Dorothea musste sich dazu zwingen, näher zu treten.
» Der Puls ist immer noch sehr schwach.« Mrs. Perkins’ Stimme war keine Regung anzumerken. » Hat sie Blut gespuckt?«, wandte sie sich an Parnko.
Der schüttelte nur den Kopf. Aschgrau im Gesicht wirkte er so verzagt, wie Dorothea ihn noch nie erlebt hatte. » Wird sie sterben?«, flüsterte er kaum hörbar.
Mrs. Perkins fixierte ihn streng. » Das werden wir nicht zulassen«, sagte sie so entschieden, als ob es in ihrer Hand läge. » Auf dem Herd in der Küche steht heißes Wasser. Bring mir einen Eimer voll.«
Parnko straffte sich und beeilte sich, dem Befehl nachzukommen.
» So, jetzt, wo der Junge aus dem Weg ist, mal ganz offen, Ma’am: Ich habe nachgedacht, und die Sache hier stinkt! Die Kleine ist nicht ohne Grund so zugerichtet.« Sie sah ausgesprochen düster drein. » Konnte der Junge sich keine andere aussuchen? Und ausgerechnet jetzt ist Master Ian nicht da!«
» Sie meinen, sie wurde wegen Parnko halb totgeschlagen?«, fragte Dorothea ungläubig.
Mrs. Perkins nickte bedächtig. » Davon bin ich überzeugt. Es würde nur nichts bringen, dem Jungen jetzt deswegen ein schlechtes Gewissen zu machen«, sagte sie.
» Aber wieso? Ich meine, es gibt doch andere Methoden, eine Romanze zu unterbinden.«
Mrs. Perkins warf ihr einen fast mitleidigen Blick zu. » Ich fress meinen Besen, wenn es bei schmachtenden Blicken geblieben ist«, schnaubte sie. » Der Junge sollte sich in der nächsten Zeit besser nicht allzu weit vom Haus entfernen. Bei ihm werden sie sich nicht auf eine Tracht Prügel beschränken!«
Parnko näherte sich bereits wieder im Laufschritt, und nach kurzem Zögern erlaubte Mrs. Perkins ihm, ihnen dabei zu helfen, Mannaras zerschundenen Körper mit nassen Tüchern abzutupfen. » Was soll’s? Für Dezenz ist es sowieso zu spät«, hörte Dorothea sie vor sich hinmurmeln.
Die schreckliche Kopfwunde hatte sich zum Glück nicht entzündet. Als die Köchin den Verband abwickelte, den Scharpiebausch darunter anfeuchtete und ablöste, sickerte nur ein wenig Wundflüssigkeit aus dem Riss. Auch die Abschürfungen und Kratzer waren bereits zum größten Teil verschorft. » Wirklich erstaunlich«, stellte Mrs. Perkins überrascht fest. » Es scheint zuzutreffen, dass die Eingeborenen über bedeutend stärkere Selbstheilungskräfte verfügen als wir. Da– sie versucht sogar die Augen zu öffnen!«
Tatsächlich bemühte Mannara sich unter leisem Stöhnen, durch die geschwollenen Lider zu blinzeln. Ihre Hände tasteten über die Matratze. Parnko fing ihre Rechte ein, und während er sie fest umklammert hielt, sprach er eindringlich auf sie ein. Er schien die richtigen Worte gefunden zu haben, denn die Anspannung wich aus Mannaras Gliedern, und sie gab einen leisen Laut der Erleichterung von sich.
» Ich habe ihr gesagt, dass sie in Sicherheit ist und wir sie beschützen werden«, erklärte Parnko heiser vor Aufregung. » Wenn sie nur reden könnte!«
» Nicht mit einem gebrochenen Unterkiefer!« Mrs. Perkins’ Fingerspitzen fuhren in einer Art Liebkosung zart die Kinnlinie nach. » Ich gebe dir nachher einen Topf guter, kräftiger Rinderbrühe, Parnko. Davon lässt du sie trinken, sooft sie will, hörst du? Und wenn etwas ist, ruf mich!«
Der junge Aborigine nickte bereitwillig und nahm wieder seinen Platz am Fußende ein. Erstaunlich, was die Liebe alles bewirken kann, dachte Dorothea. Unter normalen Umständen hätte kein Eingeborener sich dazu herabgelassen, einen Kranken zu pflegen. Schon gar nicht eine Frau!
» Gestern war ich mir nicht sicher, aber jetzt denke ich,
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