Die roten Blüten der Sehnsucht
Hautabschürfungen und Kratzern, die sie sich vermutlich auf ihrer verzweifelten Flucht zugezogen hatte.
Nachdem die größeren von ihnen so gut wie möglich versorgt worden waren, streckte Mrs. Perkins ihren schmerzenden Rücken und sah unschlüssig zwischen Dorothea und Parnko hin und her. » Sie sollte jetzt nicht allein gelassen werden«, sagte sie. » In ihrem Zustand.«
» Sie kann bei mir bleiben«, bot Parnko etwas unsicher an. » Ich weiß nichts über Krankenpflege, aber sie hat keine Angst, wenn ich bei ihr bin.«
» Guter Junge!« Mrs. Perkins nickte ihm wohlwollend zu. » Bis zum nächsten Verbandswechsel ist eigentlich gar nichts zu tun. Du musst ihr nur zu trinken geben, wenn sie Durst hat. Am besten mit einem Röhrichthalm. Morgen früh schaue ich dann gleich nach ihr.« Sie gähnte herzhaft. » Wenn mich mein Gefühl nicht täuscht, ist es gar nicht mehr lange bis zur Morgendämmerung. Müssen wir mit einem Besuch rechnen?« Sie warf dem jungen Aborigine einen scharfen Blick zu. » In dem Fall solltest du sehen, die Spuren zu beseitigen, die sie hierherführen könnten.«
Dorothea erschrak. An eine solche Möglichkeit hatte sie noch gar nicht gedacht. Aber es war durchaus plausibel: Wenn Mannara aus dem Lager geflüchtet war, würde sie sicher früher oder später vermisst werden. Und dann würden sie sie suchen.
» Sobald die Sonne aufgeht, werde ich ihre Spuren verwischen«, versprach Parnko. Nach kurzem Zögern verbeugte er sich so tief wie möglich: » Ich bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet, Mrs. Perkins. Ich weiß gar nicht, wie ich meine Schuld bei Ihnen abtragen kann. Mannara verdankt Ihnen ihr Leben, und Mannara ist mein Leben.«
» Papperlapapp, Junge«, wehrte die Köchin seine Dankesbezeugungen mit einer Handbewegung ab, als würde sie Fliegen verscheuchen. » Sieh du lieber zu, dass wir wegen des Mädchens keinen Ärger mit deinen Leuten bekommen.«
An diesem Morgen brachte Dorothea beim besten Willen kein Interesse für Catrionas inhaltloses Geplauder auf. Immer wieder schweifte ihr Blick zum Fenster hinaus, um sich zu vergewissern, dass kein Trupp erboster Aborigines auf das Haus zustürmte. Die von Mrs. Perkins aufs Tapet gebrachte Möglichkeit beunruhigte sie zutiefst. Wenn bloß Ian bald wieder zurückkehrte! Er genoss so großen Respekt bei den Eingeborenen, dass er sicher eine Lösung für diese verzwickte Situation fände. Sollten die Jäger Mannara aufspüren und beschließen, sie wieder mit zurückzunehmen, könnte Parnko alleine sie wohl kaum aufhalten. Der lächerliche, kleine Anwalt würde sich vermutlich eher im Schrank verstecken, als ihnen entgegenzutreten. Catriona! Hatte sie nicht davon gesprochen, dass sie in England öfter auf die Jagd gegangen wäre?
» Ich fürchte, das muss dringend gebügelt werden. Kann man es dieser– wie hieß sie noch?– Trixie anvertrauen?« Catriona hielt ein verschwenderisch mit Blumenranken besticktes Kleid aus indischem Musselin hoch und musterte es kritisch. » Wie ärgerlich, dass ich nur so wenig mitnehmen konnte! Jetzt ist die Auswahl doch sehr begrenzt.«
» Hast du nicht davon gesprochen, dass du schießen kannst?«, fragte Dorothea, ohne auf die Garderobenprobleme einzugehen.
» Ja, natürlich. Ich bin ein besserer Schütze als so mancher, der sich dafür hält.« Catriona zwinkerte Dorothea übermütig zu. » Wie mein lieber Bruder Percy, zum Beispiel.«
» Kannst du auch mit Pistolen umgehen?«
Catriona sah sie befremdet an. » Du bist aber in einer seltsamen Stimmung heute Morgen! Was ist denn los mit dir?«
» Könntest du mit Pistolen schießen?«, beharrte Dorothea. » Es ist wirklich wichtig.«
» Wenn es nötig sein sollte, kann ich mit Pistolen genauso gut umgehen wie jeder Mann«, erklärte Catriona selbstbewusst. » Ist es nötig?« Sie musterte Dorothea eingehend. » Du siehst etwas blass und übernächtigt aus heute Morgen, Cousine. Willst du mir nicht sagen, was los ist?« Sie klopfte neben sich auf die Chaiselongue. Mit einem lauten Seufzer sank Dorothea neben ihr auf das Polster und folgte der Aufforderung. Catriona war eine gute Zuhörerin. Nicht ein einziges Mal unterbrach sie den manchmal etwas wirren Wortstrom, sondern hing gebannt an Dorotheas Lippen. Als diese schwieg, holte sie tief Luft. » Du rechnest also damit, dass die Eingeborenen Schwierigkeiten machen werden?«, fragte sie erstaunlich gelassen.
» Ich habe keine Ahnung«, gab Dorothea ehrlich zu. » Aber Mrs. Perkins war nicht wohl
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