Die roten Blüten der Sehnsucht
nichts unversucht gelassen, hinter das Geheimnis zu kommen, aber Mannara war eben aus anderem Holz geschnitzt. Eine gute Aborigine-Ehefrau fragte nicht, sie gehorchte. Dorothea unterdrückte ihren Ärger. Eine andere Informationsquelle hatte sie nicht. Sie musste sehen, wie sie damit zurechtkam.
» Dieses Kind– hat es keinen Vater?«
Als Parnko ihr die Frage übersetzte, riss Mannara erschreckt die Augen auf. » No Vaader. Kind von Geist«, flüsterte sie fast unhörbar. Das war es also! Dorothea konnte nicht umhin, der Klugheit der Mutter Respekt zu zollen: Bastarde von weißen Männern wurden normalerweise gleich bei der Geburt erstickt und verscharrt. Das war einer der Gründe, wieso trotz des eifrigen Gebrauchs der lubras durch weiße Männer als billige Huren keine Mischlinge zu sehen waren.
Da mochten Reverend Howard und Protector Moorhouse noch so sehr dagegen wettern und von Kindermord sprechen– von dieser Praxis ließen sie sich nicht abbringen.
Dorothea fühlte, wie Erleichterung sie durchflutete. Wenn es stimmte, was Mannara ihr erzählt hatte, hatte ihr Mann keine Geliebte im Lager von King George gehabt! Die Vorstellung eines solchen Verhältnisses, quasi in Sichtweite, war ihr unerträglich gewesen.
Ihr Glück währte allerdings nicht lange. » Ich verstehe nicht, wieso du auf einmal davon ausgehst, dass das Kind nicht von Ian sein kann«, sagte Catriona, als sie ihr davon erzählte. » War er nicht damals ständig in Wellington? Wenn ich ein Mann wäre, würde ich auch zusehen, meine Affären so weit wie möglich von zu Hause entfernt abzuwickeln. Umso geringer ist die Gefahr, ertappt zu werden.«
Sie hatte recht: Ian war oft auf der Station von Mr. Morphett im Süden gewesen, um Vieh aus seinen Trecks zu kaufen, die am Coorong entlang von New South Wales aus nach Südaustralien getrieben wurden. Es konnte genauso gut dort zu einer Begegnung mit einer lubra gekommen sein.
» Denn wenn dieses Kind nichts mit ihm zu tun haben sollte«, fuhr Catriona mit unterschwelligem Triumph in der Stimme fort, » dann frage ich mich, wieso die beiden ausgerechnet hier in unsere Nähe gezogen sind. Warum sind sie nicht dort geblieben, wo sie angeblich über Jahre gut gefahren sind? Das sieht doch stark danach aus, als ob sie es in die Nähe seines leiblichen Vaters bringen wollte. Vielleicht wartet sie dort nur, bis er sie in sein Haus holt?«
» Das würde er nie tun!«
» Wirklich nicht?« Catriona umfing Dorotheas Rechte mit ihren beiden kleinen Händen in einem überraschend festen Griff. » Ich bin nicht nur deine Cousine. Ich fühle mich auch als deine Freundin. Und als deine Freundin sage ich dir: Es gibt kaum etwas, was Männer nicht zu tun bereit sind, wenn sie vernarrt in ein hübsches Gesicht und einen weichen Körper sind.«
Dorothea wollte entgegnen, dass Ian und sie vollkommen glücklich miteinander waren. Die Worte blieben ihr im Hals stecken. Wie konnte sie da so sicher sein?
» Es tut mir so leid«, flüsterte Catriona und senkte den Blick. » Ich wollte es dir eigentlich noch nicht sagen, aber Percy ist sich ziemlich sicher, dass etwas an der Geschichte dran ist. Ian benimmt sich äußerst seltsam, sobald er die Rede auf einheimische Frauenzimmer bringt. Er meint, es wird nicht mehr lange dauern, bis er sich ihm anvertraut.«
Catriona meinte es sicher gut, dennoch konnte Dorothea ihre Gegenwart plötzlich nicht mehr ertragen. Sie murmelte eine Entschuldigung und flüchtete instinktiv ins Kinderzimmer. Trixie, die sich gerade über Charles’ Bettchen gebeugt hatte, hob verwundert den Kopf und legte den Finger auf die Lippen, um ihr zu bedeuten, dass er gerade eingeschlafen war.
Marys glänzend gebürstete Locken hoben sich vom Kissen, und sie musterte ihre Mutter aus großen Augen. » Bist du traurig?«, flüsterte sie in kindlicher Hellsichtigkeit. » Ist Papa böse auf dich?«
» Nein, mein Schatz«, erwiderte Dorothea genauso leise, setzte sich auf die Bettkante und drückte ihre Tochter fest an sich. » Mama ist nur müde.«
» Wann gehen diese Leute wieder weg?«, wisperte Mary dicht an Dorotheas Ohr. » Ich will, dass sie endlich wieder verschwinden.«
» Du magst Tante Catriona und Onkel Percy nicht?« Dorothea hatte bisher noch keinen Gedanken daran verschwendet, wie die Kinder die Erweiterung des Hausstands empfanden. Sie selbst genoss es so, dass sie angenommen hatte, alle Bewohner von Eden House– außer natürlich Ian– würden das Flair, das hier mit den mondänen
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