Die roten Blüten der Sehnsucht
gut gebauten Mann hinterhersah.«
» Natürlich nicht!«, entfuhr es Dorothea, durch die Anspielung aus der Fassung gebracht. » Wie kannst du das nur annehmen?«
» Es wäre nicht ungewöhnlich«, erwiderte Catriona und zuckte die Achseln. » Ihr seid schon lange verheiratet. Da schauen beide Teile auch mal in andere Richtungen. Wenn es kein Bild von einem Mann ist, was dann?– Oh…« Ihre Augen weiteten sich, und sie flüsterte fast: » Der brave Ian hat doch nicht etwa eine Gespielin dort?«
Dass Catriona mit solcher Selbstverständlichkeit darüber sprach, löste Dorotheas Zunge. Es wäre eine solche Erleichterung, sich einer Freundin anzuvertrauen! » Nein…« Es war dennoch schwer, es auszusprechen. Sie holte tief Luft und sprudelte dann heraus: » Ich glaube, dass dort ein Kind von Ian herumläuft.«
» Bist du sicher?« Catriona schien erstaunlich wenig schockiert. Traute sie Ian solch einen Verrat so leicht zu?
Dorothea schüttelte den Kopf. » Nein, sicher bin ich mir nicht. Aber es würde gut passen.«
» Wieso?« Catriona lauschte aufmerksam, ohne Dorothea auch nur ein einziges Mal zu unterbrechen. Als diese schwieg, nickte sie bedächtig. » Es klingt alles plausibel. Vielleicht sollten wir dem guten Ian etwas auf den Zahn fühlen.«
Dorothea erschrak. » Was meinst du damit?«
Catriona spielte mit der Troddel am Stiel ihres Sonnenschirms. » Männer neigen dazu, sich leichter einem Geschlechtsgenossen anzuvertrauen«, sagte sie schließlich. » Wenn ihm jemand etwas entlocken kann, ist es sicher Percy.«
» Ich möchte nicht, dass Percy davon erfährt«, wehrte Dorothea entschieden ab.
» Es wird sich nicht verhindern lassen, ihn einzuweihen! Dir oder mir wird Ian sicher nichts verraten. Wenn du die Wahrheit erfahren willst, brauchen wir Percys Hilfe.«
Eine Zeit lang hielt Dorothea ihre Weigerung aufrecht, dann jedoch gab sie den guten Argumenten nach. Catriona würde ihren Bruder informieren, und der würde Ian aushorchen, wenn sich eine günstige Gelegenheit ergab. Obwohl der Plan absolut vernünftig und richtig klang, fühlte Dorothea sich, als hätte sie ihren Mann verraten. In die Scham darüber mischte sich allerdings bald auch Ärger auf ihn, dass er sie praktisch dazu gezwungen hatte, dieses Komplott zu schmieden. Es geschah ihm nur recht, wenn Percy ihn aushorchte, versicherte sie sich selbst. Sie musste einfach Gewissheit haben. Sonst würde sie noch verrückt.
Es widerstrebte ihr, alles Percy zu überlassen, deswegen bot sie ein paar Tage später der Köchin an, an ihrer Stelle nach Mannara zu sehen. Mrs. Perkins sah sie erstaunt an, erhob jedoch keine Einwände, sondern reichte ihr bloß den gut gefüllten Binsenkorb.
Dorothea räusperte sich, als sie den Stall betrat, und tatsächlich kämpfte Mannara noch mit den Bändern des alten Nachthemds von Heather, das Mrs. Perkins ihr angezogen hatte, sobald ihr Zustand es erlaubte. Parnko stand am Fenster und wirkte unbeteiligt, seine gesenkten Augen und zerzausten Haare legten jedoch den Schluss nahe, dass er nicht ganz unbeteiligt an Mannaras unbekleidetem Zustand gewesen war. Seit Ian sie dem alten Häuptling abgekauft hatte, schien er davon auszugehen, dass ihm niemand mehr die junge Frau streitig machte.
Dorothea tat, als sei ihr nichts aufgefallen. » Wie geht es Mannara heute?«
» Gutt, gutt«, erwiderte sie selbst in ihrem gutturalen Tonfall und lächelte scheu. Es war wohl immer noch ungewohnt für sie, von den anderen Frauen nicht nach Kräften schikaniert zu werden. Ihr Gesicht war fast wieder so schön wie früher. Nur eine leichte, bläuliche Verfärbung über dem linken Backenknochen zeugte noch von dem Schlag, der ihren Kiefer gebrochen und sie einige Zähne gekostet hatte. Die Schwellung an den Augen war nicht mehr sichtbar. Mannara blickte wieder aus großen dunklen Rehaugen in die Welt.
Mrs. Perkins hatte gemeint, sie wäre bald kräftig genug, um ihr zumindest zeitweise in der Küche zur Hand zu gehen, und Dorothea gab ihr recht. Parnko hatte ihr etwas Englisch beigebracht, und Mannara zeigte durchaus Sprachtalent. Mrs. Perkins würde sich schon irgendwie mit ihr zu verständigen wissen. Bis dahin wollte Dorothea jedoch nicht warten. » Frag sie nach dem weißen Mädchen im Lager«, sagte sie entschlossen zu Parnko. Diesmal würde sie sich nicht abspeisen lassen mit der Behauptung, es existiere nicht. » Und kommt mir nicht mit der Ausrede, ihr wüsstet von nichts, sonst sorge ich dafür, dass Mannara
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