Die roten Blüten der Sehnsucht
Verwandten eingezogen war, zu schätzen wissen.
Ihre Tochter schüttelte so entschieden den Kopf, dass ihre Locken nur so flogen. » Sie sind böse.«
» Wie kommst du darauf?« Dorothea war so verblüfft, dass sie gar nicht daran dachte, Mary für diese ungezogene Bemerkung zu tadeln. Ihr war selbst schon aufgefallen, dass Catriona für eine junge Frau den jüngeren Kindern ungewöhnlich indifferent gegenüberstand. Aber ihres Wissens war sie niemals unfreundlich zu ihnen gewesen. Oder hätte sonst etwas getan, um eine so vehemente Abneigung zu rechtfertigen.
» Ich weiß es eben«, beharrte Mary und kniff die Lippen zusammen.
» Erwachsene tun manchmal Dinge, die Kindern böse erscheinen, weil sie sie nicht verstehen«, sagte Dorothea bestimmt. Vermutlich war Mary schlicht und einfach eifersüchtig, weil Dorothea sich in letzter Zeit tatsächlich nicht mehr allzu oft bei ihren beiden Jüngsten hatte blicken lassen. Sie waren ja auch bei Trixie in besten Händen. Trotzdem würde sie in Zukunft wieder mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, nahm Dorothea sich vor.
Sobald sie wieder dazu kam.
Es blieb beim guten Vorsatz. Das Postboot am nächsten Tag brachte nicht nur einen dicken Packen der Mysteries of London für Lady Chatwick, sondern auch eine Einladung zum Galadinner der Schafzüchter anlässlich des Geburtstags Ihrer Majestät, Queen Victoria, am 24. Mai.
» Müssen wir da unbedingt hingehen?« Dorothea musterte wenig begeistert die goldgeprägte Einladungskarte mit der schwungvollen Unterschrift. » Sicher werden wieder endlose Reden über die Vorzüge und Nachteile der verschiedenen Schafsrassen gehalten. Und das Essen ist die letzten Jahre auch immer schlechter geworden.«
» Ich fürchte, da führt kein Weg daran vorbei«, hatte Ian erwidert. » Ich möchte niemanden vor den Kopf stoßen, indem ich mit einer fadenscheinigen Entschuldigung fernbleibe. Außerdem wäre es dumm, die Gelegenheit nicht wahrzunehmen, denn es wird alles dort sein, was Rang und Namen hat.«
» Du meinst damit sicher: unter den Farmern und Viehzüchtern.« Percy lachte. » Ich würde zu gerne dort Mäuschen spielen!« Sein Lachen wurde breiter. » Alleine die Vorstellung von einem Haufen stinkender Bauern in Zylindern, die feine Herrschaften spielen. Faszinierend.«
Ian runzelte die Stirn. Er mochte es nicht, wenn Percy seine Verachtung für die arbeitende Schicht so unverblümt äußerte.
Dorothea sah seinen Unwillen und sagte rasch: » In Südaustralien sind die Viehzüchter äußerst angesehene Leute, Percy. Wer hier zu Reichtum gekommen ist, verdankt es nicht seiner Herkunft, sondern hat es sich selber erarbeitet. Sogar Gouverneur Young behandelt sie mit dem größten Respekt.«
» Das ist auch nur recht und billig. Wolle ist das verlässlichste Standbein unserer Exporte. Bei Weizen kann es immer Missernten geben, und die Erzminen werden eines nicht allzu fernen Tages erschöpft sein– Schafe dagegen wird es immer geben, und gute Wolle wird immer begehrt sein. Auf englisches Tuch, das beste der Welt!« Ian hob sein Glas.
» Auf englisches Tuch«, schlossen die anderen sich seinem Toast an.
» Im Ernst, Cousin«, sagte Percy, sobald sie ausgetrunken und die Gläser erneut gefüllt hatten. » Dieses Bankett würde mich wirklich reizen. Kannst du mich nicht einschmuggeln?«
» Mich auch!«, forderte Catriona. » Ich würde mir auch ein ganz schlichtes Kostüm à la paysanne zusammenstellen, damit ich nicht unpassend gekleidet wäre.«
Ian betrachtete sie mit einigem Befremden. » Die Menschen dort sind ganz normale Leute«, sagte er schließlich. » Wenn ihr denkt, dass dort Schweine unter den Tischen herumschnüffeln und alle mit den Fingern essen, muss ich euch enttäuschen. Aber wenn ihr so großen Wert darauf legt, kann ich versuchen, noch zwei Einladungen zu bekommen.«
» Nicht, dass ich mich besonders darauf freue, den ganzen Abend ihre herablassenden Bemerkungen zu hören«, meinte er später zu Dorothea. » Verdammt, wieso können sie nicht einfach wieder nach England zurückfahren!« Sein Gesicht verzog sich zu einer schmerzenden Grimasse und färbte sich plötzlich grünlich. Gerade noch konnte Dorothea ihm den Nachttopf reichen.
Es kam äußerst selten vor, dass ihr Mann dem Alkohol so zusprach, dass er am Morgen danach unter Kopfschmerzen litt. Noch nie hatte sie erlebt, dass er so viel über den Durst getrunken hatte, dass sein Magen revoltierte. » Du solltest dich nicht so über die beiden
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