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Die roten Blüten der Sehnsucht

Die roten Blüten der Sehnsucht

Titel: Die roten Blüten der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Peterson
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Dort drüben zum Beispiel würde man jeden Moment erwarten, ein Rudel Rehe aus der Deckung treten zu sehen. Erst auf den zweiten Blick sieht man, dass die trockenen Blätter auf dem Boden Rindenstücke und die Kirschen in den Bäumen dort keine echten Kirschen sind. Australien ist äußerst seltsam: Alles wirkt vertraut und ist dann doch etwas ganz anderes, als man erwarten würde.– Was ist das?« Sie wies mit dem Zeigefinger auf ein katzengroßes, pelziges Etwas, das, durch den Lärm der Kutschenräder aufgescheucht, einen Baumstamm hinaufkletterte. » Zu Hause würde ich es für einen Marder halten.«
    » Das war ein junges Opossum«, erklärte Ian. » Sie leben in hohlen Baumstämmen oder Astlöchern. Die Eingeborenen jagen sie, indem sie sie mit Rauch aus ihren Verstecken treiben. Aus den Fellen fertigen sie ihre Umhänge.«
    » Habt ihr schon einmal eines gegessen?«, fragte Percy und verfolgte das Tierchen zwischen den schütteren Zweigen mit seinem Blick.
    » Nicht wissentlich!« Ian lachte in sich hinein. » Unser Stamm jagt auch mehr am Wasser. Wir dürften uns jetzt schon seit Längerem im Stammesgebiet der Kaurna befinden.«
    » Muss man sich das so vorstellen wie bei den Indianerstämmen Amerikas? Bekriegen sie sich auch untereinander?« Percy schien sich mit den Verhältnissen in Amerika recht gut auszukennen.
    » Ich kann mich nicht erinnern, dass es in Südaustralien, solange ich hier war, irgendwelche Stammeskriege gegeben hat.« Ian schien zu überlegen. » Nein, wenn es Auseinandersetzungen gab, waren es immer welche zwischen Eingeborenen und Kolonisten. Wer weiß, welch penible Höflichkeitsrituale australische Stämme befolgen, sobald sie fremdes Gebiet betreten, der weiß auch, dass ihnen die Viehtreiber wie unverschämte Eindringlinge erschienen sind. Und als solche haben sie sie eben zu vertreiben versucht.«
    » Bei allem Verständnis: Einem Schafhirten den Kopf abzuschlagen und ihn im Ofen zu rösten geht weit über das Bedürfnis hinaus, sich und sein Land zu verteidigen!«
    Ian runzelte die Stirn. » Wer behauptet denn so etwas?«
    » Ich glaube, einer der Passagiere, die in Encounter Bay ausstiegen. Kannst du dich noch erinnern, Cat?« Percy drehte sich um. » Das war doch der mit der fürchterlichen Weste voller Pinguine.«
    » Ja, es war eine ziemlich grausige Geschichte um einen Schafhirten und seine zwei Söhne. Als sie abends von den Weiden zur Hütte zurückkamen, war ihr Vater nirgends zu sehen. Nur ein alter Eingeborener saß davor und kaute auf seinem Pfriem. Sie dachten sich nichts dabei, weil der Alte öfter vorbeikam und um Tabak bettelte. Es roch appetitlich, und sie hatten großen Hunger. Also suchten sie nicht nach ihrem Vater, sondern wollten sich gleich von dem fertigen Essen nehmen. Als sie die Ofentür öffneten, lag in der Glut der Kopf ihres Vaters.«
    Dorotheas Magen krampfte sich zusammen. Sie wehrte sich verzweifelt gegen die Bilder, die über sie hereinstürzten. Sams Kopf auf dem Gestell über dem aufsteigenden Rauch, die seltsamen Steine auf dem Felsenbord in der Höhle des Skelettmannes. Wie lange würden sie sie noch verfolgen?
    » Humbug!« Ian schüttelte ärgerlich den Kopf. » So etwas hätte auf jeden Fall eine Menge Staub aufgewirbelt. Mir ist aber nichts zu Ohren gekommen. Nicht einmal etwas, was man dazu aufbauschen könnte. Ich würde sagen, die Geschichte ist frei erfunden.«
    » Ich muss sagen, das freut mich«, meldete Catriona sich zu Wort. » Es ist kein sehr angenehmes Gefühl, Kannibalen in der Umgebung fürchten zu müssen.« Sie sah sich kritisch um. » Obwohl, mit einem Paar guter Pistolen würde ich mir zutrauen, sie in gebührendem Abstand zu halten. Dieser Wald ist für einen Hinterhalt ziemlich ungeeignet.«
    » Täusch dich nicht, Cousine!– Die Eingeborenen Australiens können so absolut mit ihrer Umgebung verschmelzen, dass du schon auf sie treten müsstest, um sie zu entdecken.« Ian schmunzelte. » Hinter diesen Akazien könnte sich ein ganzer Stamm verbergen.«
    » Wirklich?« Percy sah sich besorgt um.
    » Wenn sie uns töten wollten, hätten sie es schon längst getan.« Ian wirkte so unbesorgt, dass Percy sich etwas entspannte. » Keine Angst, Cousin. Die Kaurna um Adelaide herum sind schon lange keine Gefahr mehr, falls sie es denn je waren. Dazu lieben sie den Schnaps zu sehr. Sie sind eher lästig, weil sie die Straßen als Bettler bevölkern.«
    » Mr. Moorhouse meint, dass sie wie Kinder wären, die man erziehen

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