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Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Titel: Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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mit einem offiziellen Siegel versehene Brief war verknickt, das Papier wellig, als wäre es schon einmal feucht geworden; wahrscheinlich hatte jemand das Schreiben kurz nach ihrem Aufbruch in die Tür geklemmt.
    Alexander zerriss das Siegel und faltete das Papier auseinander.
    »Was steht denn da?«, quakte Rieke.
    »Ja, was steht da?«, wiederholte Julius.
    Alexander überflog das Schreiben, dann sah er auf, mit einem ungläubigen Ausdruck im Gesicht. »Jetzt schon? Das können sie doch nicht ernst meinen!«
    »Was? Was ist los, sag schon!« Lina war ernsthaft besorgt. »Ist es … von Seip? Wirft er uns jetzt raus?«
    »Was? Nein, das hat nichts mit Seip zu tun.« Er sah Lina an. »Welches Datum ist heute?«
    Sie überlegte, rechnete. »Der … dritte April«, gab sie dann zurück. »Ach nein, wir haben ja schon den vierten.«
    »Schon der vierte?« Alexander ließ einen deftigen Fluch hören.
    »Wieso«, drängte Lina. »Wieso musst du das wissen? Was ist das?«
    »Meine Einberufung zu dieser idiotischen Bürgerwehr.«
    »Bürgerwehr?« Lina konnte sich nur noch schwach daran erinnern. Hatten sie nicht auf ihrer Hochzeit darüber gesprochen? Das alles kam ihr vor, als würde es Jahre zurückliegen.
    »Du weißt doch noch: zum Schutz gegen die Maori – dass ich nicht lache! Sie ziehen die ersten wehrfähigen Männer ein, um sie auszubilden. Ich muss für einen Monat ins Fort.« Alexander ließ das Schreiben sinken. »Ab morgen.«

Kapitel 23
    Beim Frühstück am nächsten Morgen unterdrückte Lina mit Mühe ein Gähnen. Auch Alexander hatte tiefe Ringe unter den Augen und sah aus, als hätte er kaum geschlafen. Nur Rieke und Julius waren schon wieder voller Flausen und Unternehmungslust.
    »Wieso kann ich nicht für dich gehen?«, maulte Julius und rührte in seinem Morgenbrei. »Man kriegt ein Gewehr und darf auf Maori schießen!«
    »Auf Maori schießen?« Alexanders Augen wurden schmal. »Hast du eigentlich überhaupt nichts gelernt aus den letzten Tagen?«
    Julius blickte schuldbewusst auf seinen Teller. »Doch«, murmelte er.
    Lina stand auf und stellte ihren noch halb gefüllten Teller in die Spüle. Sie hatte kaum etwas herunterbekommen. Dass Alexander aber auch ausgerechnet jetzt zum Wehrdienst musste! Und wofür? Um für eine angebliche Bedrohung durch die Maori gewappnet zu sein. Mittlerweile fand Lina das fast genauso absurd wie Alexander, hatte sie in den vergangenen Tagen doch nur Gutes von den Maori erfahren. Die Männer, die ihnen den Weg gewiesen und ihnen Fisch und Kartoffeln geschenkt hatten. Oder Te Raukura, der sie zu den Kindern geführt hatte. Ohne ihre Hilfe wären sie noch lange nicht wieder zu Hause.
    Und jetzt das. Alexander und sie hatten doch gerade erst zueinandergefunden. Wie viel leichter wäre es gewesen, wenn sie mehr Zeit gehabt hätten. Wenn sie die nächsten Schritte gemeinsam hätten planen können. Wenn sie sich doch nicht so schnell wieder trennen müssten.
    Offenbar fing man bei den jungen Männern an. Und mit seinen neunzehn Jahren stand Alexander wahrscheinlich ganz oben auf der Liste.
    Die halbe Nacht hatten sie darüber geredet.
    »Ich gehe da nicht hin«, war Alexanders Reaktion gewesen, sobald sie die Kinder zur Nachtruhe geschickt hatten. Gleich darauf hatte er die Einberufung zerknüllt und in die Stubenecke gefeuert . »Sie können mich nicht zwingen!«
    »Dir wird aber nichts anderes übrig bleiben«, erwiderte Lina. Sie ging in die Ecke und hob das zusammengeknüllte Papier wieder auf.
    »Du hörst dich an wie mein Vater!«, gab er aufgebracht zurück.
    Es war kühl in der Stube, und Lina zitterte vor Kälte und Müdigkeit. Aber bevor diese Sache nicht geklärt war, konnte und wollte sie nicht ins Bett gehen. Aus der Kammer, in der Lina sonst zusammen mit ihrer Schwester schlief, drang leises Kichern. Rieke und Julius waren offenbar immer noch wach. Alexander hatte die beiden kurzerhand zusammen in die Mädchenkammer geschickt, um in Ruhe mit Lina reden zu können.
    Sie faltete das Schreiben vorsichtig wieder auf. Jetzt wies es überall unschöne Knicke auf.
    »Dann sag mir doch, woher du das Geld nehmen willst, das du dann als Strafe bezahlen musst. Zusätzlich zu den sonstigen Schulden.«
    Sie legte das Schreiben auf den Tisch und strich es behutsam glatt. Das Licht einereinzelnen Kerze zeichnete einen flackernden Schein darauf. Mit dem Finger fuhr sie den Text ab und suchte nach der fraglichen Stelle.
    »Hier steht es: ›Alle männlichen Untertanen der

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