Die Rückkehr der Karavellen - Roman
gefesselt, die sich entfernen.
– Habt ihr die Garderobe dieses Schwachkopfs schon gesehen?
Er stellte sich den Salzlakenieselregen von Malanje vor, der die Stirn der Spiegel in Falten legt und die Tücher in den Truhen stinken läßt, er stellte sich den breiigen Himmel vor, die wie Rochen im fasrigen Sargasso der Mangobäume verborgenen Vögel, die unter ihrem tragischen Engel vergessene Verstorbene, die Schülerinnen, die tuschelten, sich umarmten und auf dem Weg zum Mittagessen stritten, und die Schere schnitt das Nichts, schnitt die Luft, schnitt und schnitt, Sprühregentropfen hingen an einem rostigen Hindernis, und daher merkte er kaum, daß sie ihm den Koffer wegnahmen, (Ist in dieser Scheiße irgendwas Brauchbares
drin?, interessierte sich der mit den Haarsträhnen, während er eine Strähne schüttelte, die ihm die Nase verfolgte), eine Meute pockennarbiger Bettler prügelte sich um die Jacke und die Schuhe, die Brieftasche, die sie ihm zurückgaben, war um das Geld und die holländischen Schecks erleichtert, und so bemerkte er kaum, wie die Neunzigjährige, mit dem Zahn klappernd nach ihrem Anteil suchte, bis sie ihn zur Tür jagten, in den Fahrstuhl steckten, ihn stufenweise ins Erdgeschoß zurückbeförderten, während die von der Fonte da Telha sich oben erbittert um die Aufteilung des Schatzes stritten, und er zögerte, gedankenverloren an die Briefkästen in der Eingangshalle gelehnt, im Kopf die Trompeten der Kaserne, im Licht der Wandlampen, des Nebels von Angola und der Blumentöpfe, ging ziellos, nachdem er blindlings durch die verlassenen Straßenrestaurants der Meeresspinnen geirrt war, in denen die letzten Kellner Hocker und Tische stapelten, den von Restaurants und Fischpavillons gesäumten Boulevard zum Strand hinunter, um sich unter den blauen Niveaball zu kauern, dessen Buchstaben vor dem Wasser der Costa da Caparica kaum zu erkennen waren, das von einem feinen Schaumschmuck weiß verziert wurde.
Manoel de Sousa de Sepúlveda bemerkte, daß es tagte, als die Sonne aus afrikanischem Dunst die Dächer, die Balkons hinter ihm, die Bretter des Marktes, die Wellen der Ebbe herauslöste, an deren Saum ein Rudel Hunde trottete und Exkremente von Dünen, aufgelösten Stiefeln, zerfledderten Körben, den Widerschein eines Glases einatmete, der wie ein Gerstenkorn am Lidrand brannte. Es mußte fünf oder sechs Uhr morgens sein, und so weit das Auge reichte,
sah man keine Spuren von Menschen auf dem Sand: Nur eingefallene Hütten, eine Schmalzgebäckbaracke, einen Wohnwagen, dem Teile fehlten und an dessen Fenstern kleine Rüschengardinen hingen. Fünf Uhr morgens, und die nun größer gewordenen Wellen lenkten die Straßenköter zu mir, die die traurigen Bögen ihrer Schwänze hin- und herschwenkten. Ein magerer, schwarzgekleideter Zigeuner sprang aus dem Wohnwagen und ging rauchend, in der Hand einen Eimer, zum Wasser hinunter. Die Hunde wurden immer größer, atmeten schwer wie zornige Spanferkel. Ich setzte mich bequemer gegen den Niveaball und hielt den Hemdkragen fest um den Hals, als schwebte ich weit über der Angst, sehr weit über der Furcht, den Gallensteinen, dem salzlosen Essen und den Schülerinnen von Malanje. Ein Totenengel mit hängenden Fledermausflügeln zerdrückte mir den Bauch, ein traumloser Siestafrieden wuchs in seinem Körper. Der Zigeuner kam vom Meer zurück, die Bronchitis der Hunde sang in meinen Ohren. Manuel de Sousa de Sepúlveda schloß die Augen, während die Sonne sich anschickte, ihn langsam farbig anzumalen.
– Ich werde ein wenig schlafen, dachte er, während er die Fußknöchel im Stand versteckte. So oder so habe ich nichts mehr, was man mir stehlen könnte.
I n der zweiten oder dritten Woche und nach vielen Entdeckerkaravellen voll ängstlicher Pupillen und an den hohlen Magen gepreßtes karges Gepäck sah der Mann namens Luís davon ab, weiter auf den Kühlschrank und den Ofen zu warten, die bestimmt von den Kaffern in Loanda gestohlen und an die Deutschen der Farmen in Gabun verkauft worden waren, und beschloß, daß der Vater, der im Sarg in Würmergebrodel kochte, sich mit einem heimlichen nächtlichen Begräbnis im Schatten würde zufrieden geben müssen, den die Friedhöfe an den Mauern vergessen, dort, wo das Unkraut höher ist als der Blick der Totengräber. Einer der Wächter, der mit ihm bis zum Abend geredet hatte, während er den Manövern der Galeeren und dem Einlaufen der von fremden Winden gevierteilten Karavellen zusah, die vom Beischlaf
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