Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rückkehr der Königin - Roman

Die Rückkehr der Königin - Roman

Titel: Die Rückkehr der Königin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
...
    Als Anghara wieder durch die heißen Tränen schauen konnte, die ihr die Sicht trübten, schien sich das Chaos unten verändert zu haben. Alles schien sich umgruppiert zu haben. Diesmal dachte Anghara nicht an die Konsequenzen, rannte in den Hof und rief nach ihrem Pferd. Jetzt war nicht die Zeit, hinter verriegelten Türen und hohen Mauern in Sicherheit zu bleiben. Unten auf dem Schlachtfeld entschied sich das Geschick einer Nation, und wenn sie nicht die Kraft und den Mut fand, sich dem zu stellen, verdiente sie nicht die Krone ihres Vaters.
    Im Stall widersetzte man sich störrisch ihren Befehlen; schließlich half ihr mehr das Zweite Gesicht als die Macht des Königtums ein Reittier und freie Bahn aus der Festung zu bekommen. Sie hatte das schnellste Tier gewählt und war sich der Ironie nicht bewusst, dass dieses ein reinrassiges dun war, als sie wie eine Wahnsinnige durch das Festungstor stürmte, das gerade so weit offen war, dass sie hindurch passte. Es hatte angefangen zu regnen, aber das bemerkte sie kaum – der Umhang, den sie trug, blähte sich wie eine Flagge hinter ihr, bot aber nur wenig Schutz gegen die Elemente. Sie preschte hinaus, wo gerade noch das Schlachtfeld gewesen war und jagte verwirrte Männer, die wie Schafe zusammengelaufen waren, auseinander. Unbeirrt jagte sie auf fliegenden Hufen zu der Stelle, wo das kupferne Seelenfeuer jetzt auf der Schwelle zwischen Leben und Tod flackerte. Ein loser Knoten Männer hatte sich darum geschart und öffnete sich bei ihrem Kommen. Sie brachte das Ross wenige Handbreit vor den Stiefeln der Gestalt zum Stehen, die in voller Rüstung auf dem Boden lag. Einer der drei Männer, die daneben im Schlamm des Schlachtfelds knieten, erhob sich bei ihrem Kommen. Mit einer Hand ergriff er die Zügel des duns, mit der anderen half er Anghara aus dem Sattel.
    »Wir haben alle gespürt, wie er es getan hat«, sagte Kieran und stützte Angharas Arm. Dann gab er die Zügel ihres dun in andere Hände. »Ich habe es gespürt, als es geschah – es war, als wäre die Erde erbebt ...« Er klang irritiert. Ein ähnliches Gefühl hatte ihn zeitweise auf der Reise nach Kheldrin begleitet – eine Zeit, an die er nicht gerne dachte.
    »Das Zweite Gesicht macht dich zu einem Teil des Landes, und er war der Gesalbte ...«, sagte Anghara. Doch dann begann sie unter Kierans Hand zu zittern, blickte an ihm vorbei und sank neben ihrem Halbbruder auf ein Knie, ohne auf den blutigen Schlamm zu achten, der den Saum ihres Gewandes und Umhangs beschmutzte. »Er lebt noch«, flüsterte sie und ergriff Sifs Hand mitsamt Panzerhandschuh. Sie löste die Riemen des Handschuhs und fühlte den schwachen Puls an seinem Handgelenk. Er leistete kraftlosen Widerstand, als sie die andere Hand vom Heft des königlichen Schwerts lösen wollte, das zwischen seinen Rippen steckte. Es ragte blutig aus dem Rücken heraus, da wusste selbst Anghara, dass die Wunde tödlich war. Langsam öffnete Sif die Augen und bemühte sich zu sehen, aber ein hauchdünner Film hatte sich bereits darübergelegt. Zu sprechen überstieg seine Kräfte. Doch immer noch schimmerte sein kupfernes Seelenfeuer, jetzt nur noch wie ein Geist. Als sich ihre Augen trafen, waren keine Worte nötig.
    Ich habe dieses Land geliebt , sagte er. Sie hörte es in Gedanken. Seine Worte kamen bereits aus weiter Ferne, als spräche er aus einer anderen Welt.
    Ich weiß , sagte sie. Tränen schwammen in ihren Augen, als das letzte kupferne Flämmchen noch einmal aufflackerte und dann verlosch.
    Das Zweite Gesicht – verbreitete sich unter den versammelten Männern. Er hatte das Zweite Gesicht. Sif hatte auch das Zweite Gesicht .
    Doch das war noch nicht die letzte Überraschung.
    »Ihr weint um ihn«, sagte einer von Kierans Hauptleuten, der ganz nahe stand, völlig verblüfft.
    Anghara schloss einen Moment lang die Augen, als würde sie beten. Dann legte sie behutsam Sifs Hände auf seine Brust. Kieran half ihr auf die Beine, und sie schaute beinahe blind um sich. Die Männer ringsum respektierten ihr Schweigen, bis ein mit Blut verschmierter Soldat plötzlich vorwärts trat, um vor ihr niederzuknien. Dann bot er ihr sein Schwert mit dem Heft zuerst dar.
    »Mylady«, sagte er mit einer Stimme, die vom Schlachtenstaub und Gefühlen rau klang. »Wir legen unsere Waffen nieder und geben uns in Eure Hände.«
    Anghara nahm mit beiden Händen die dargebotene Waffe. »So endet es hier«, sagte sie leise, aber ihre Stimme trug weit in dem

Weitere Kostenlose Bücher