Die Rückkehr der Königin - Roman
Angharas Wunsch zu erfüllen, lief eine Nachricht durch die Korridore der Festung, über die Schneehaufen im Hof in die kalten, leeren Straßen der Stadt zu einer schäbigen Herberge dicht neben einem Stadttor. Der Junge, der sie brachte, war ein drahtiges verwahrlostes Kind von ungefähr acht Jahren. Er musterte den Schankraum mit einem schnellen Blick. Dann ging er zielstrebig auf zwei junge Männer zu, die in düsterem Schweigen am Kamin saßen. Er zog an seiner Stirnlocke mit der uralten Geste des Respekts, aber in seinen Augen stand pure Bewunderung, als er in das Gesicht des Dunkelhaarigen, des Älteren der beiden, dem mit den durchdringenden blauen Augen blickte. Der Junge übergab ihm ein mehrmals gefaltetes Pergament, zog wieder an seiner Stirnlocke, und ging wortlos davon. Der junge Mann öffnete das Pergament und saß dann schweigend da. Schließlich stand er auf, zerknüllte das Pergament beinahe achtlos und ballte die Fäuste.
»Das ist es«, erklärte Kieran. Seine Stimme klang ausdruckslos und kalt, wie Stahl, aus der Scheide gezückt. »Sif kommt in wenigen Tagen zurück, und dann wird es keine zweite Chance geben. Morgen gehen wir hinein.«
Kierans Männer hatten tatsächlich den Trupp eingeholt, dem sie gefolgt waren. Aber Anghara fanden sie nicht; schlimmer noch, in dieser Gruppe war auch keiner der fünf Männer, von denen Sif gesprochen hatte, die wussten, wer Anghara war. Diese Gefangenen konnten Kieran wenig berichten, und freuten sich stattdessen hämisch über die Tatsache, dass er dem falschen Köder gefolgt und seine Beute jetzt für ihn fast unerreichbar war. Vielleicht hätte er eine vernünftige Entscheidung treffen können, wenn auch nur einer der Männer den Hauch einer Ahnung gehabt hätte, was sie verbrochen hatten. Aber stattdessen frohlockten sie vor Freude über einen Erfolg, der ihnen kaum etwas bedeutete, abgesehen vielleicht davon, dass sie nun wussten, wer sie verfolgte, und es ihnen gelungen war, einen mit Kierans Ruf zu übertölpeln. Als schließlich einer von Kierans Männern die Geduld verlor und einen grinsenden Soldaten mit einem Fausthieb zu Boden schlug, mischte sich Kieran nicht ein, Rochen auch nicht; danach lag Totschlag in der Luft. Wenn es um das Leben von Feinden ging, war Kieran schon lange nicht mehr besonders empfindlich, aber das hier war Töten aus Rache, mit kaltem Vorsatz ausgeführt. Er war nicht stolz auf seine Männer, auch nicht auf sich, weil er sich im Hintergrund hielt und jegliche Verantwortung ablehnte. In Wahrheit war er zornig, krank vor Wut und Hilflosigkeit. Das entschuldigte nicht, was er getan hatte, aber es machte es leichter, alles zu verarbeiten – es war, als würde ein wenig des Stachels herausgezogen, wenn er die Sünde beim Namen nannte.
»Ich gebe nicht auf«, hatte er gesagt und geriet in eine gefährliche, beinahe entrückte Stimmung. Wenn Anghara erst in Miranei hinter dicken Mauern saß, wären seine Anstrengungen so unwirksam wie ein Moskitostich, der durch eine Ritterrüstung dringen wollte. Das wusste er. Das Wissen brannte wie ein vergifteter Pfeil in seinem Herzen.
Zu dieser Zeit waren Adamo und Charo bei ihm, und die Brüder, die sich genau an Cascin und das kleine Mädchen erinnerten, das sie als Brynna Kelen vor vielen Jahren gekannt hatten, redeten ihm leidenschaftlich zu, ihre königliche Cousine zu befreien.
»Lass uns nach Miranei reiten«, hatte Charo ihn wild angefeuert. »Dort finden wir die genaue Anzahl der Wachen heraus, und wir können doppelt so viele, wie wir sind, besiegen. Das haben wir schon oft bewiesen ...«
»Ja«, hatte Adamo ihm beigepflichtet, nicht weniger unerbittlich, aber dennoch eine Stimme der Vernunft in einem Ozean turbulenter Gefühle. »Das haben wir bewiesen ... aber immer mit einer klaren Rückzugsmöglichkeit und der Option, an einem anderen Tag zurückzukommen. Ich habe die Kerker von Miranei nie gesehen, aber ich bezweifle, dass wir sie ohne Ärger nehmen können – und selbst wenn es uns gelingt, können sie die Festungstore schließen. Danach können sie uns wie die Hasen hetzen und aufspießen. Keine Armee hat Miranei je erobert. Jemals. Und wir ... wir sind nicht einmal eine Armee.«
»Schlägst du vor, dass wir einfach wegreiten?«
»Nein«, widersprach Adamo. »Aber ich bin auch nicht dafür, dass wir unser Leben für etwas wegwerfen, dass eindeutig unmöglich ist. Wir werden nach Miranei reiten – aber wir werden warten. Und ich werde versuchen, mit einem oder zwei
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