Die Rückkehr der Königin - Roman
Erwartungen an sie stellte. Er hatte Töchter in ihrem Alter und ließ sich nicht täuschen von der Rolle, die sie für Sifs feine Lords spielte. Er hatte ihr die Galerie der fahrenden Sänger als Zuflucht angeboten und ihr den Schlüssel dazu gegeben.
In den letzten Monaten, als das Kind in ihr immer größer wurde, schätzte Senena diesen Zufluchtsort zunehmend. Colwen war von Sif verstoßen worden und war eine Vernunftehe mit einem Herzog aus dem Grenzland eingegangen. Nun war sie nach Miranei zurückgekehrt, offenbar nur um ihren ebenfalls anschwellenden Bauch vorzuführen. Augenscheinlich hatte der Herzog Erfolg gehabt, wo Sif versagt hatte, und ihr ein Kind gemacht. Obwohl Senena ihr Kind vor Colwen zur Welt bringen würde, wollte die verschmähte Königin dabei sein, wenn bei Senena die Wehen einsetzten – nur für den Fall, dass Senena ein Mädchen zur Welt brachte. Colwen verpasste keine Gelegenheit allen zu sagen, dass die Hebammen ihr einen Knaben vorausgesagt hätten. Sif ignorierte die giftigen Anspielungen und die Frau; Senena hatte eine dünnere Haut. Die Galerie war ihre Rettungsinsel.
Dort war sie gewesen, als Sif Fodrun hereingebracht hatte. Sie wollte nicht lauschen, aber sie war in dem bequemen Sessel, den ihr Freund, der Kammerherr, für sie hatte hereinstellen lassen, eingeschlafen. Als sie aufwachte, war das Gespräch in vollem Gange und wenn sie sich bewegte, würde sie mit dem Geräusch sowohl ihren wie auch den Hals des Kammerherrn riskieren. Deshalb saß sie ganz still da und hoffte, die beiden würden ihre Angelegenheiten schnell besprechen und dann hinausgehen. Aber sie konnte nicht überhören, was die Männer unten sprachen. Als sie schließlich begriff, dass Anghara Kir Hama nicht seit acht Jahren in der Familiengruft begraben lag, wie alle angenommen hatten, war der Schock so groß, dass sogar das Kind in ihr sich drehte und um sich trat.
Anghara ... am Leben ... das bedeutete, Sifs Anspruch auf den Thron konnte nur auf Verrat gründen ...
Am nächsten Morgen herrschte nach dem Eintreffen des Boten aus Torial totales Chaos. Sif brach fast augenblicklich auf. Senena war froh, dass sie jetzt getrennt waren, zumindest, bis sie dieses neue Wissen richtig verarbeitet hatte. Sif hatte aber Fodrun als Verweser und ihren Schatten zurückgelassen. Als dieser irgendwo beschäftigt war, warf sie sich einen weiten Umhang über die Schultern und machte sich auf den Weg zu den großen Türen im Untergeschoss der Festung. Sie waren mit Eisenbändern beschlagen und vom Rauch der Fackeln, die ständig in zwei Halterungen zu beiden Seiten des Eingangs brannten, im Laufe der Jahrhunderte geschwärzt. Zwei Soldaten standen mit blanken Schwertern vor dem Tor in die Unterwelt Wache.
»Halt!«, rief einer mit tiefer und dem Ort angemessen feierlicher Stimme. »Wer da?«
Senena hatte die Verblüffung eingeplant und wurde reich belohnt durch den Anblick der Gesichter der Soldaten, als sie die Kapuze des Umhangs zurückstreifte. »Die Königin«, sagte sie. Ihre Stimme klang voll Selbstvertrauen und Autorität, die sie nie fühlte, auch nicht als Sifs Gemahlin; aber das wussten diese Männer nicht. »Lasst mich passieren.«
»Mylady«, begann einer und sank auf ein Knie. »Es ziemt sich keiner Frau, dass Ihr dorthinuntergeht ...«
»Ich gehe aber um einer Frau willen dorthin«, unterbrach ihn Senena. »Allerdings muss ich nicht hinabgehen, wenn ihr sie mir herbringt. Ich möchte mit ihr sprechen. Gibt es einen Ort, wo ich das ungestört tun kann?«
Die beiden wechselten Blicke. »Eine Frau, Mylady?«
»Mylady, wir können nicht ... Euer Gemahl ... der König ...«
»Der König ist nicht hier«, erklärte Senena. »Ich sitze neben ihm auf dem Thron unter dem Berge. Tut, was ich befehle.«
Die Soldaten zögerten noch immer, aber in Senenas hellen Augen blitzte etwas wie Stahl auf, unerbittlich. Teilweise ahmte sie Sifs königliche Art nach, aber teilweise kam es auch ganz aus ihr. Sie war zwar jung, schüchtern und empfindlich, aber sie verfügte über einen Kern der Stärke und des Adels, der sie auch ohne Krone auf dem Haupt hervorgehoben hätte. Sif hatte seine Königin nur allzu gut gewählt.
»Tut, was ich sage!«, wiederholte sie. Und in diesem Augenblick überstimmte die unmittelbar bevorstehende Strafe, die die Soldaten in ihren Augen lasen, die unklaren Möglichkeiten, was Sif tun würde, wenn er nach Miranei zurückkam.
»Hier entlang, Mylady«, sagte der eine Soldat und führte sie
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