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Die Rückkehr der Königin - Roman

Die Rückkehr der Königin - Roman

Titel: Die Rückkehr der Königin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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ihren Tod wollte?«, fragte er. »Aber jetzt ... ist es zu spät.«
    »Es ist nie zu spät«, stieß Kieran zwischen den Zähnen hervor.
    »Ich muss wahnsinnig gewesen sein, das zu erlauben«, sagte Fodrun – mehr zu sich selbst als zu dem Feind vor ihm.
    Kieran war so geistesgegenwärtig, dieses Geständnis mit einem grimmigen Lächeln zu quittieren; Fodruns Augen verdunkelten sich, seine Lippen wurden zu einer fast unsichtbaren Linie, als er sein Schwert fester griff und sich für Kierans Attacke bereit machte.
    Doch da schrie Senena auf, und alles ging auf einmal sehr schnell.
    Kieran sah ganz deutlich, aber als würde er die Dinge gleichzeitig im Schnelldurchlauf und in grausamer Zeitlupe beobachten, wie ein Ausdruck tiefster Qual über Angharas Gesicht huschte, bevor sie bewusstlos in Fodruns Armen zusammensank. Für Fodrun war sie plötzlich eine Last, und er ließ sie vor seine Füße gleiten, dann wandte er sich wieder Kieran zu. Gleichzeitig hörte Kieran Charos Jubelschrei, als dieser seinen Gegner oben am Treppenende zum Stolpern brachte, sodass dieser das Gleichgewicht verlor, sich auf dem Absatz drehte, wobei ihm der Stab aus den Händen fiel, und er rücklings kopfüber die Treppe hinunterstürzte. Das Ende des Stabs versetzte Senena einen Schlag auf den Bauch. Sie krümmte sich vor Schmerzen. Dabei verlor auch sie den Halt. Schützend hielt sie die Hände über ihren gewölbten Bauch, als sie gegen die Wand des Wehrgangs fiel. Daran rutschte sie nicht gerade anmutig zu Boden. Kierans Schwert schien sich eigenständig bewegt zu haben. Als er die Waffe wieder anschaute, triefte Blut von ihr. Er blinzelte und sah sich nach dem Opfer um – Fodrun lag mit dem Gesicht nach unten vor seinen Füßen. Die Klinge des Generals war eine Armeslänge weit weggeflogen und lag gefährlich schwankend auf der obersten Stufe. Unter ihm hatte sich eine große Blutlache gebildet, die langsam auf den dunklen weichen Umhang zulief, den sie Anghara gegeben hatten.
    Sie lag reglos einige Schritte entfernt, die Augen immer noch geschlossen. Die Schmerzen hatten eine tiefe Linie in ihre Stirn gefurcht.
    Kieran ließ sein Schwert fallen, ohne sich um seine Umgebung zu kümmern, und kniete neben ihr nieder. Ihr Kopf rollte beinahe leblos gegen seine Schulter, als er sie hochhob und an sich drückte. Dann strich er ihr behutsam einige Strähnen ihres hellen Haars aus dem Gesicht. In diesem Moment schnürte es ihm die Kehle zusammen – nach so langer Zeit, nach all den Jahren, war sie hier in seinen Armen – war alles vergebens gewesen?
    Aber nein! Sie atmete. Kieran schloss kurz die Augen und schickte jedes Dankgebet, das er je gelernt hatte, an sämtliche Götter, die bereit waren, sie anzuhören. Sein eigener Dolch war verloren; Fodruns war an dessen Gürtel befestigt, nahe genug um ihn zu greifen. Kieran streckte die Hand danach aus. Er war zu benommen von diesem Augenblick, um die Ironie schätzen zu können, dass ausgerechnet Fodruns Dolch das Werkzeug war, mit dem er die Fesseln um Angharas Hände durchschnitt.
    »Anghara«, sagte er leise. Jetzt, als er sie wieder betrachtete, war er nicht darauf vorbereitet, wie fremd der Name noch immer für die kleine Ziehschwester aus Cascin war. Aber diese hagere, blasse junge Frau war nicht mehr das kleine Mädchen, das er zurückgelassen hatte. Es war Anghara Kir Hama, die er heute hielt, nicht das Kind, das er als Brynna kannte. »Kannst du mich hören?«
    Sie öffnete die Augen, gerade als ein Finger des Sonnenlichts seinen Weg um die Türme fand und sich auf den Wehrgang ergoss, auf dem so viele Tote und Sterbende lagen. Die Schmerzen waren noch da, die Schmerzen, die sie vor seinen Augen kurz zuvor getroffen hatten, aber sie gingen zurück. Einen langen Moment starrte sie ihn an, dann füllten sich ihre grauen Augen mit Tränen. »Kieran ...«
    Er musste zweimal schlucken, ehe er sprechen konnte. »Kannst du gehen? Es wird Zeit, dass wir von hier wegkommen ... ehe sie alles ausschicken, was von der Garnison noch da ist.«
    »Hilf mir auf.« Ihre Stimme war schwach, brüchig, kaum verständlich. O Götter , dachte Kieran, unwillkürlich tief erschrocken. Er legte den Arm um ihre dünne Mitte und half ihr auf die Beine. Was hat er dir angetan?
    Aber die körperliche Strafe war nichts verglichen mit dem Schmerzgespenst, das in ihren Augen wohnte. Das sah er. In ihr war etwas zerbrochen – etwas, das sehr viel mehr Heilung erforderte als die Auswirkungen von Einzelhaft und

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