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Die Rückkehr der Königin - Roman

Die Rückkehr der Königin - Roman

Titel: Die Rückkehr der Königin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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hatte, etwas auszusprechen, das sie seit Langem wusste, aber gescheut hatte, sich einzugestehen. »Er hat mir das Zweite Gesicht genommen. Ich bin blind.«

4
    Anghara schluchzte und weinte, als würde ihr das Herz brechen, als sei das gesamte Leid der Welt in diesem Leichnam enthalten, der vor ihr lag – gebrochene Versprechen, verratenes Vertrauen, zerstörte Leben. Als Kieran seinen Arm um Angharas Schultern legte und sie mit sanftem Druck aufforderte, aufzustehen, schaute sie ihn mit tränenüberströmtem Gesicht an und schüttelte heftig den Kopf.
    »Wir können sie doch nicht einfach zurücklassen!«, sagte sie heiser.
    »Wenn sie uns hier finden, können wir alle ihr heute in Glas Coil Gesellschaft leisten, ehe es Mittag wird«, erklärte Kieran. »Sobald wir können, werden wir in einem Tempel ein Räucherstäbchen für ihre Seele anzünden, da sie für dich eine Freundin und eine großartige Frau war ... aber jetzt komm, Anghara, es ist höchste Zeit, dass wir diesen Ort verlassen. Sonst war alles umsonst. Und Senena hätte auch gewollt, dass du frei bist. Komm!«
    Er glaubte, sie würde weiterhin Widerstand leisten, als er ihr aufhalf, denn ihre Schultern waren unter seinen Händen starr, aber sie schluckte ihr Leid herunter und hielt es schonungslos in Schach, als er sich hinabbeugte und behutsam Senenas Augen schloss. Charo hatte die kleine Königin unter dem gnädig bedeckenden Umhang besser zurechtgelegt. Jetzt murmelte Kieran ein Gebet für ihren Weg in die Nachwelt und zog die Kapuze über Senenas Gesicht. Anghara hielt die Augen geschlossen, Tränen quollen unaufhaltsam unter ihren Lidern hervor, perlten über die langen Wimpern über die Wangen. Als Charo ihren Arm nahm, und Kierans Hand sie auf die erste Stufe der Treppe geleitete, die nass vom Blut der getöteten Männer war, folgte Anghara gehorsam und beugte sich ihrem Willen.
    Sie hatten das Unmögliche vollbracht – und im Nachhinein betrachtet schien sich alles in wahnsinnig kurzer Zeit abgespielt zu haben. Das Glück blieb ihnen treu, als sie die Stätte des Gemetzels verließen. Als Kieran und Charo mit Anghara zwischen sich über die Innenhöfe schlichen, spürten sie das Gefühl einer Entweihung der Festung, doch in dieser wusste noch niemand von der schrecklichen Tat oder wer sie begangen hatte. Allerdings waren mehr als die übliche Zahl Wachen am offenen Tor, und diese schienen irgendwie beunruhigt zu sein. Kieran hielt an, als sie noch außer Sichtweite waren, hinter einer Ecke, tief im Morgenschatten. Er und Charo beobachteten mit grimmigen Mienen, wie zwei Wachsoldaten eine Handvoll Diener auf dem Weg zu den Märkten in der Stadt aufhielten und ihre Beutel durchsuchten.
    »Die lassen uns nie und nimmer durch«, sagte Charo.
    Aber Kieran erinnerte sich an etwas – leichthin gesprochene Worte, in der heraufziehenden aufregenden Nacht gestern schnell vergessen, bei den Ställen gemurmelt. Melsyrs schnelles Grinsen in der Dunkelheit ... ein Aufblitzen weißer Zähne ... Ich tausche den Dienst mit einem anderen. Vielleicht wäre es besser, wenn ich ein Seitentor bewache ...
    »Das Seitentor«, sagte Kieran schnell. »Es ist unsere einzige Chance. Los!«
    Sie machten kehrt und liefen den Weg zurück, den sie gekommen waren. An der nächsten Ecke zögerte Kieran. Charo beugte sich zu ihm. »Weißt du, wohin wir laufen?«, zischte er.
    »Ich weiß von außen, wo Miraneis Seitentor ist«, zischte Kieran zurück. »Hier kann ich wohl kaum nach dem Weg dorthin fragen. Adamo hat es von einem seiner Freunde erfahren und er hat gesagt ... gib mir einen Moment Zeit ...«
    »Nach links«, ertönte eine schwache Stimme unerwartet. »Von diesem Innenhof führt ein Gang dorthin.«
    Kieran blickte verblüfft auf Anghara hinunter. Er hätte daran denken müssen, dass sie hier aufgewachsen war. Er nickte. »Komm, Charo.«
    Er sah den Torbogen, der zu dem Gang führte, den sie erwähnt hatte. Doch dann mussten sie sich an die Mauer pressen, als fünf Soldaten daraus auftauchten und im Sturmschritt vorübergingen. Auf ihren Gesichtern lag Sorge, beim jüngsten fast Panik. Ohne die Köpfe zu drehen marschierten sie vorbei. Kieran wartete einen beklemmenden Moment, ob noch mehr auftauchten, dann zog er sein Schwert aus der Scheide. »Ich gehe zuerst«, flüsterte er. »Du folgst, Charo. Hilf, Anghara. Sei vorsichtig.«
    Charo nickte, verschwendete keine Worte, lockerte nur die eigene Waffe. Vorsichtig ging Kieran weiter. Der enge Torbogen wich einem

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