Die Rückkehr der Königin - Roman
offene Moor, nach Süden oder Osten, und in jeder Richtung versperrte ihnen ein Fluss den Weg. Aber hinter dem Fluss im Süden lag der Bodmer Wald, und das war Kierans Land. Dort würden sie Unterschlupf und Verbündete finden. Wenn sie nur schneller dorthin kämen als Sifs Armee.
Lang nach Mitternacht gönnten sie sich eine oder zwei Stunden Schlaf; es fiel Anghara schwer, die Augen zu öffnen, als Kieran sie noch vor Tagesanbruch aus dem Schlaf der Erschöpfung weckte. Er musste sie sanft wachrütteln, damit sie weiterreiten konnten. Aber sie bestand darauf, dass Kieran alleine auf seinem Pferd ritt, zu zweit würden sie die Pferde verschleißen und die Gruppe käme nur langsam voran.
Die Moore um Miranei waren Ausläufer der Berge hinter der Stadt – hohes, meist flaches Gelände. Aber als die kleine Schar weiter nach Südosten ritt, erreichten sie sanft gewelltes Moorland. Sie trieben die Pferde hart an, aber sie mussten etwas langsamer reiten, sobald sie das hügelige Moor erreichten. Sie konnten sich keinen Unfall und kein lahmes Ross leisten. Gegen Mittag legten sie eine kurze Pause ein, um den Tieren etwas Erholung zu gönnen. Die Sonne schien warm auf ihre nach oben gerichteten Gesichter, die Pferde waren von der Anstrengung bereits mit Schaum bedeckt. Vor ihnen stieg das Gelände an, zuerst sanft, dann immer steiler. Sie befanden sich auf der Leeseite eines kahlen Hügels, der nicht sehr hoch war, aber wohl einen ungehinderten Blick auf die umliegenden Moore bot. Der Gipfel schien noch höher zu sein, da ihn mehrere riesige Granitfindlinge krönten. Zumindest einer davon war so offensichtlich bearbeitet, dass er nicht natürlichen Ursprungs sein konnte, sondern mit Sicherheit einst ein Stehender Stein gewesen war. Anghara konnte sich kaum sattsehen. Kieran sah etwas anderes. Einen Aussichtspunkt.
»Von dort oben wüssten wir mehr«, sagte Kieran.
»Ja«, stimmte ihm Anghara zu. »Das stimmt.«
In der zerfallenen Krone des Hügels lag immer noch eine gewisse Macht, die den Hügel wie ein unsichtbarer Mantel umgab. Vielleicht hielt das Kieran zurück, trotz seiner Bemerkung. Seine Gefährten saßen mit verbissenem Schweigen im Sattel, einige warfen Blicke auf den Weg zurück, auf dem sie gekommen waren. Zweifellos wussten sie, dass sie verfolgt wurden – da sie Anghara bei sich hatten, war das zwangsläufig – aber sie wussten nicht, von wem oder von wie vielen. Der Hügel konnte ihnen das verraten. Doch zuerst musste man den Hügel besteigen, und keiner schien geneigt zu sein, das zu tun.
Schließlich war es Anghara, die sich entschlossen aus dem Sattel schwang. Sie stolperte und fiel beinahe, weil ihre Beine so schmerzten, nach dem langen Aufenthalt im Kerker und zusätzlich geschwächt von dem anstrengenden Ritt. Lauter Protest folgte. Sie hielt sich am Sattelknauf fest und stand mit gebeugtem Kopf, um Kraft zu sammeln; dann ließ sie los und warf Adamo die Zügel ihres Pferdes zu, der sie beinahe automatisch auffing.
»Wir müssen es wissen«, sagte sie zu Kieran und blickte ihn defensiv an. »Und ich bin blind. Ich kann deshalb ebenso gut mit meinen Augen schauen.«
»Und wenn jemand den Hügel beobachtet, wissen sie genau, wo wir sind«, sagte einer der Männer.
Kieran fällte eine Entscheidung und schwang sich vom Pferd. »Wir gehen beide«, erklärte er.
»Das ist Wahnsinn«, sagte Adamo. »Wenn wir euch verlieren, dann beide auf einmal.«
»Dann um aller Götter willen, beeilt euch! Meine Knochen sagen mir, dass sie nicht weit hinter uns sein können«, meinte Charo und biss sich auf die Lippe.
Anghara war immer noch schwach. Sie sah zerbrechlicher und durchsichtiger aus als je zuvor. Ihre Augen hatten große dunkle Ringe, die tief über den bleichen Wangen lagen. Aber etwas verlieh ihr Stärke. Sie drehte sich um und stapfte den Hang hinauf, ohne sich umzublicken. Kieran kletterte hinterher. Mit zwei, drei großen Schritten hatte er sie erreicht. Er runzelte die Stirn.
»Du hast dich verändert«, sagte er. »In Feors Klassenzimmer warst du immer die Vorsichtige, Bedächtige. Ich kann mich nicht erinnern, dass du so ungeduldig warst und so überstürzt gehandelt hast. Erst nimmst du es mit Sifs Armee auf dem offenen Moor auf und jetzt das. Was willst du beweisen?«
»Das Zweite Gesicht treibt mich«, erklärte sie. »Das Zweite Gesicht, das mich verlassen hat. Du hast nie damit gelebt, daher kannst du nicht wissen, wie es ist, es zu verlieren. Es ist, als fehle mir die Hälfte
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