Die Rückkehr der Königin - Roman
Wahnsinn – dann war es verschwunden, aber Kieran wusste, was er gesehen hatte. Plötzlich überlief ihn ein Schauder, nicht von der Kälte, sondern von der Erkenntnis, die ihn bis ins Mark traf. Sie war verwundet, und Kheldrin war der einzige Ort, der sie heilen konnte.
Er kämpfte dieses Wissen nieder; es widersprach allem, was er immer geglaubt hatte, aber er wusste, dass es die Wahrheit war. Schließlich biss er die Zähne zusammen und blickte ihr in die Augen. »Du wirst es nie schaffen«, wiederholte er. »Von allen Orten wird Calabra am schärfsten bewacht. Aber es gibt noch Shaymir.«
»Shaymir?«, wiederholte Anghara und war kurz verwirrt, doch dann klärten sich ihre Züge. Sie verstand. »Du meinst die Berge?«
»Die Khelsies kommen herüber. Irgendwie«, sagte Kieran und zuckte mit den Schultern.
»Aber ich kenne die Berge nicht«, sagte Anghara langsam. »Ich kenne den Weg nicht.«
»Wenn es einen gibt, kann man ihn finden«, erklärte er fest. Diese Worte brachten in ihr eine Saite zum Klingen, als hätte sie etwas Ähnliches schon einmal gehört. Dann erinnerte sie sich. Es schien Jahrhunderte her zu sein, als al’Tamar neben ihr am Ozean am Fuß von Gul Khaima gesessen hatte. Wege können gefunden werden .
»Was die Berge betrifft ... du wirst nicht allein sein.« Kieran streckte die Hand zu dem Stein empor, auf dem sie immer noch hockte, und hob sie auf den Boden neben sich hinunter. »Ich werde bei dir sein.«
5
Im Rückblick wünschte Kieran beinahe, Anghara hätte sich mehr gesträubt. Oder dass er besser zugehört hätte. Der Marsch nach Kheldrin lag ihm von Anfang an im Magen; aber je näher sie ihrem Ziel kamen, desto schlechter fühlte er sich wegen des gesamten Unternehmens – trotz des seltsamen, seelentiefen Wissens, das ihm immer wieder sagte, dass Kheldrin der einzige Ort war, wo sie geheilt werden konnte. Und dennoch ... je näher sie kamen desto seltsamer wurde Anghara. Kieran blickte über das Lagerfeuer, wo sie unruhig schlief. Der verbundene Arm lag auf ihrem Bauch. Plötzlich runzelte er die Stirn und zerdrückte den Zweig des Wüstensalbeis aus Shaymir, den er gegen seine Handfläche gerieben hatte. Der herbsüße Duft des Krautes durchbohrte ihn wie immer. Es wirkte wie eine Droge und öffnete versiegelte Erinnerungen mit der Leichtigkeit von Magie. Diesmal, als Anghara vor ihm lag, waren die Erinnerungen sehr frisch. Sif. Miranei. Die Armee auf den Mooren.
Sobald Anghara sich entschieden hatte, dort auf dem Berg, der von Stehenden Steinen gekrönt war, hatte es keine wirkliche Diskussion mehr gegeben. Adamo hatte ihre Entscheidung besser aufgenommen, als Kieran erwartet hatte.
»Kheldrin?«, fragte er ruhig. »Dort hast du dich die ganze Zeit versteckt?« Er wühlte in den Satteltaschen seines Pferdes und suchte nach etwas, das ganz nach unten gerutscht war. Dann holte er das kleine Paket mit Angharas an’sen’thar -Kleidung heraus, das er in der Herberge in Calabra geborgen hatte. »Und die hier stammen von dort?«
Anghara nahm das Bündel und starrte es lang an, ehe sie aufblickte und Adamo in die Augen schaute. »Ja«, antwortete sie, und ihre Stimme klang seltsam emotionslos und flach. »Von dort stammen sie.« Ich frage mich, ob ich je wieder das Recht haben werde, sie zu tragen ... ein beklemmender Gedanke huschte ihr durch den Kopf. Undenkbar.
Charo musste fast mit Gewalt zurückgehalten werden, damit er nicht mit ihnen nach Kheldrin ritt. Schließlich hielt Angharas Wort ihn zurück. »Bleib!«, hatte sie gesagt. »Und hebe eine Armee aus, die du führen kannst.«
Danach blieb nur die Frage, wie man Sif dazu bringen könnte, die Verfolgung so lang aufzugeben, bis sie entkommen waren. Wie üblich hatte Adamo den rettenden Einfall, und Kieran schmiedete den Plan.
»Liegt nicht hier in der Nähe Rams Insel?«, hatte Adamo gefragt.
Kieran brauchte weniger als eine Sekunde. Er schnippte mit den Fingern. »Das Boot!«
»Welches Boot?«, fragte Anghara. Sie war noch nicht wieder auf ihr Pferd gestiegen, seit sie vom Berg heruntergekommen war. Jetzt lehnte sie sich mit halb geschlossenen Augen dagegen.
»Da war immer ein Boot versteckt. Die Insel liegt mitten im Fluss, zu klein und zu überwuchert, als dass sich jemand für sie interessieren würde, abgesehen von einem Haufen Banditen wie uns«, erklärte Charo mit müdem Lächeln. »In Notlagen ist das ganz nützlich.«
»Dann los!«, sagte Kieran. »Es ist nur noch ein Stückchen, Anghara. Schaffst du
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