Die Rückkehr der Königin - Roman
das?«
»Ich muss«, antwortete sie und biss die Zähne zusammen. Sie brauchte drei Versuche, bis sie wieder im Sattel saß. Nach den langen Monaten in der winzigen luftlosen Zelle war sie erschöpft. Kieran und Adamo wechselten besorgte Blicke hinter ihrem Rücken – aber dieser Rücken war kerzengerade, sobald sie aufgesessen hatte. Sie bat nicht um Nachsicht.
Sie ritten wie der Wind, wobei sie wussten, dass sie eine breite Spur zurückließen, der Sif folgen konnte – aber die von Kieran geplante List wollten sie erst später ausführen. Daher hatte Kieran nichts dagegen, wenn Sif wusste, dass seine Beute zum Fluss geflohen war. Als sie vorwärtspreschten, war für Geplauder keine Zeit mehr. Die Nacht brach herein, und – wie in der gestrigen Nacht – gönnten sie sich nur wenige Stunden Rast, ehe sie weiterritten. Auch den Großteil des nächsten Tages verbrachten sie im Sattel, bis die erschöpften Pferde zu lahmen begannen. Immer waren sie nur einen Schritt vor Sifs Armee. Die niedrigen Berge verweigerten den Jägern einen deutlichen Blick auf ihre Beute. Zweimal schlugen Charo und einer der Männer einen Kreis zurück. Zweimal kehrten sie mit frischen Blutspritzern auf der Kleidung und frischen Pferden zurück. Anghara tat nur einen Blick und fragte nicht nach Einzelheiten. Selbstverständlich würde Sif Kundschafter aussenden, schnelle Reiter, die imstande waren, sich vom Haupttrupp der Armee zu lösen und mit schnellen Pferden die Flüchtigen verfolgten. Es schien so, als würden diese Männer nicht lang genug leben, um zurückzureiten und Sif Meldung zu erstatten.
Aber die Beseitigung von einigen Spähern reichte nicht aus.
»Das schaffen wir nie«, murmelte einer der Männer, als die Sonne sich am zweiten Tag draußen senkte. »Vorher reiten wir die Pferde zu Tode.«
Als Antwort zeigte Adamo voraus, wo sich das Sonnenlicht auf etwas Glänzendem spiegelte und ins Auge stach. »Wasser«, erklärte er lakonisch.
Hier machte der Fluss Hal einen flachen Bogen nach Norden und schlängelte sich durch die Berge. Diese Biegung erreichten sie auf ihrer Flucht endlich in den letzten hellen Stunden des zweiten Tages. Die Pferde schnaubten und spitzten die Ohren. Sie rochen Wasser.
»Lasst sie nicht zu viel trinken«, sagte Kieran und zügelte sein Pferd nahe des Ufers. Dann glitt er aus dem Sattel und spähte schnell flussaufwärts und abwärts. »Wo ist die Insel?«
Charo überflog das Gelände mit schnellem, kundigem Auge. »Flussaufwärts«, antwortete er. »Nicht weit weg. Welches Pferd ist am wenigsten außer Atem? Ich hole das Boot.«
»Er muss danach schwimmen«, sagte Adamo, ehe Anghara fragen konnte.
Falls sie hätte fragen können. Sie welkte dahin wie eine Schnittblume. Es war zweifelhaft, ob sie noch viel länger auf dem Pferd hätte aushalten können. Adamos Meinung nach war es jetzt schon ein Wunder, dass sie so lang mit ihnen mitgehalten hatte.
»Vielleicht ist es ebenso gut, wenn du ins Wasser gehst«, raunte Adamo Kieran zu. »Sie braucht eine Ruhepause, ehe sie wieder reiten kann. Hätte es eine Wahl gegeben, dann hätte man sie sofort nach der Befreiung aus dem dreimal verdammten Kerker ins Federbett einer weisen Frau bringen sollen, die sie mit Kräutertees und Hühnersuppe aufpäppelt, bis sie wieder zu Kräften kommt.«
»Stattdessen bekommt sie diese wahnwitzige Flucht, ein wildes Pferd, um über die Moore zu reiten, und gerät vom Regen in die Traufe«, sagte Kieran und verzog das Gesicht. »Wenn Sif nur einen einzigen Tag später zurückgekommen wäre ... dann hätten wir nicht wie die Verrückten reiten müssen. Wir hätten Zeit gehabt.« Er warf einen besorgten Blick über die Schulter in die Richtung, wohin zwei aus seinem Gefolge geritten waren, um nach Sifs Spähern Ausschau zu halten. Dann blickte er ruhelos dorthin, wo Charo verschwunden war. »Komm. Wenn die Pferde genug getrunken haben, wollen wir Charo folgen.«
Sie fanden ihn neben einem Pferd in einer provisorischen Koppel am Ufer sitzen, das Schwert neben sich auf der Erde. Er zog sich gerade die Stiefel an. Als er sie kommen hörte, griff er nach der Klinge, entspannte sich aber, als er erkannte, wer kam. Hinter ihm in der Ferne, lag schon im Schatten ein dunkler Punkt mitten im Fluss. Das Zwielicht des Abends herrschte bereits. Ein bleicher Mond stand am Himmel, auf dem noch Spuren des Sonnenuntergangs zu sehen waren.
Er blickte lächelnd auf. Offensichtlich lag ihm eine spitze Bemerkung auf der Zunge, doch ehe
Weitere Kostenlose Bücher