Die Rückkehr der Königin - Roman
protestieren, hob er entschieden den Arm, um ihr zuvorzukommen. »Keine Diskussion«, sagte er. »Anghara, verstehst du nicht? Du reitest am Ende deiner Kräfte, selbst jetzt ... Sif ist möglicherweise nur Stunden hinter uns, und wir können ihn unmöglich abhängen, nicht mit dir, wo du so schwach wie ein neugeborenes Kätzchen bist. Beim alten Miro und seiner Frau bist du in Sicherheit. Es ist nur für ein paar Tage. Du musst dich erholen, und das ist ein Anfang.«
Aber Anghara hörte etwas anderes in seinen Worten. »Das klingt, als wolltest du mich dort allein lassen.«
»Ja«, erklärte er und musste dann über ihren Gesichtsausdruck lächeln. »Aber nicht verlassen. Ich muss frische Pferde besorgen, wenn wir weiterreiten wollen. So wie wir jetzt aussehen ... die heruntergekommene Besatzung dieser Nussschale von Boot würde im Tanass Han unausweichlich für Aufsehen sorgen – und du kannst sicher sein, dass Sif davon hört. Ab jetzt müssen wir die Nebenstraßen nehmen.«
Und so machten sie es. Miro und seine Frau Ani nahmen Anghara ohne Bedenken auf. Eine Stunde nach ihrer Ankunft steckte Ani sie ins Bett, obwohl Anghara protestierte. Zu ihrer eigenen Überraschung wachte sie erst nach sechs Stunden, erfrischt und hungrig wie ein Wolf, wieder auf. Kieran war auf und davon.
Er blieb sechs Tage fort. Am siebten kam er mit drei verschiedenfarbigen Pferden zurück. Anghara sprang ihm fast ins Gesicht. »Wo bist du gewesen? Weißt du nicht, dass ich vor Sorge fast verrückt geworden bin?«
»Hat Miro dir nichts gesagt? Sif ist in diesem Teil der Welt lange nicht gesehen worden«, antwortete Kieran und stieg von dem großen braunen Wallach.
Sein Ton war leicht frotzelnd, und sie wandte sich mit einem frustrierten Brummen ab. Mit zwei langen Schritten war er an ihrer Seite. »He«, sagte er. »Ich wollte dir keinen Kummer bereiten. Aber ich wollte nicht, dass man mich an nur einem Ort sieht, wenn ich wegen der Pferde feilsche ... außerdem siehst du schon viel besser aus. Die Woche hat dir gut getan.«
Sie musterte ihn von oben bis unten. In ihren Augen stand wieder der Wahnsinn. Aber er war sich nicht sicher, dass er das wirklich gesehen hatte – als sich ihre Blicke wieder trafen, war er verschwunden.
Er wollte, dass sie wenigstens noch ein paar Tage länger blieb – Ani war eine Art weise Frau, und ihre Kräuter und Tränke schienen Anghara ungemein gut getan zu haben. Der angespannte Ausdruck war aus ihrem Gesicht verschwunden. Sie hatte sogar ein wenig Farbe in den Wangen. Sie war immer noch schrecklich dünn, aber mit der Zeit würde sich das auch bessern. Aber all das war nur körperlich. In ihr war eine Rastlosigkeit, die keines von Anis Kräutern zu heilen vermochte. Und die am Ende alles Gute zunichte machen konnte. Anghara machte sich große Sorgen und wollte möglichst bald aufbrechen, und schließlich willigte Kieran ein.
Die Reise erwies sich als schwieriger, als Kieran ursprünglich geglaubt hatte. Es gab mehr Patrouillen auf den Straßen als je zuvor. Es war schier unmöglich, alle zu vermeiden. Immer wieder war der Weg vor ihnen versperrt und sie mussten einen Umweg reiten. In Bögen schlugen sie sich nach Nordost durch, wo die Berge zwischen Shaymir und Roisinan in einen Sattel niedriger Hügel übergingen, die schwer zu bewachen, aber zu Pferd leicht erreichbar waren. Doch Sif jagte sie noch weiter nach Westen, in Richtung des einen Ortes, den Kieran zu vermeiden gehofft hatte.
Bresse.
Schließlich war es beinahe unvermeidlich, dass der letzte Umweg sie in Sichtweite der Hügel brachte, auf denen Schloss Bresse einst gestanden hatte. Anghara zügelte ihr Pferd und saß ganz still da, die Augen auf die Bilder in ihrer Erinnerung geheftet. Kieran hielt sein Pferd einen Schritt weiter an.
»Anghara ...«
Sie sah ihn aus leuchtenden Augen an – jetzt kein Anzeichen von Wahnsinn, nur stummes, unstillbares Leid. »Aber ich muss«, sagte sie. »Vielleicht wenn wir einen Tagesritt von hier entfernt vorbei gekommen wären ... aber jetzt muss ich. Ich kann nicht an diesem Ort vorbeireiten, ohne mit eigenen Augen zu sehen, was Sif angerichtet hat.«
»Ich bin mir nicht sicher, dass das eine gute Idee ist«, murmelte er, aber sie hatte ihr Pferd bereits gewendet, und er konnte ihr nur folgen.
Die Jahre waren gütig gewesen. Vom Weißen Turm war nicht viel übrig, aber die Härte der Ruinen wurde durch die vielen winzigen weißen Bergblumen gemildert, die der Frühling geweckt hatte und die
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