Die Rückkehr der Königin - Roman
er Gelegenheit hatte zu sprechen, preschte einer der Nachhut im Galopp auf seinem erschöpften Grauen herbei. »Es ist zu knapp, Kieran«, stieß der Mann hervor, als er kaum eine Handspanne vor Kierans Pferd zum Stehen kam.
»Wo ist Keval?«
»Tot«, lautete die schockierende Antwort. Erst jetzt bemerkten sie die dunklen Flecken auf seiner Tunika, und dass er einen Arm vor den Rippen hielt und offensichtlich mit Schmerzen im Sattel saß. »Sie waren zu sechst. Vier haben wir erledigt, und ich glaube, dass ich Nummer Fünf verwundet habe, aber dafür musste Keval bezahlen – und Nummer Sechs ist jetzt auf dem Weg zurück zu Sif. Ich hatte keine Chance ihn zu fangen, nicht einmal, wenn ich das Pferd eines seiner Freunde genommen hätte. Was immer du vorhast, Kieran, tue es jetzt! Meiner Schätzung nach bleibt dir vielleicht eine Stunde, ehe Sif uns einholt.«
Kieran glitt vom Pferd und warf Adamo die Zügel zu. »Du sorgst für ihn«, sagte er. »Komm, Anghara. Es ist an der Zeit, dass wir losgehen.«
Es sah aus, als würde er ihr einfach vom Pferd helfen, aber für Adamo, der sehr genau hinschaute, war es schmerzhaft offensichtlich, dass er sie buchstäblich vom Pferd hob und dass sie ohne ihn gefallen wäre. Kieran stützte sie fest aber unauffällig für die wenigen Schritte zum Boot und hob sie hinein.
»Ich bin gleich zurück«, sagte er.
»Kieran ...« Sie streckte die Hand aus und erwischte einen Ärmelzipfel. Ihre Augen waren groß und lagen in tiefen purpurnen Schatten, die in der Blässe ihres Gesichts besonders hervorstachen.
»Was ist?«, fragte er.
Sie schaute über ihn auf die drei, die dahinter warteten. Ihre grauen Augen füllten sich mit Tränen. »Kieran ... lass nicht zu, dass ihnen etwas geschieht ...«
Sie war zwar siebzehn, aber Kieran sah plötzlich – es zerriss ihm fast das Herz – die neunjährige Brynna Kelen in ihrem Gesicht. Etwas stieg in ihm hoch, wie damals, um sie vor jeglichem Schmerz zu beschützen. Unerwartet, selbst für ihn, beugte er sich vor und küsste sie leicht auf die Stirn. »Alles wird gut. Warte hier auf mich.«
Charo hatte seine Stiefel angezogen und sich zu den anderen beiden gestellt, die im milden Mondlicht warteten. Es waren drei. Nicht genug – gewiss nicht genug ... Sif konnte sie mühelos zerquetschen. Doch dann biss Kieran die Zähne zusammen und ging zu den wartenden Männern.
»Ich will, dass er denkt, dass wir hier den Fluss überquert haben«, sagte er ruhig. »Drüben angekommen ... ihr seid zu dritt und habt sieben Pferde. Teilt euch auf drei verschiedene Wege auf. Adamo, du sorgst an meiner Stelle für Sarevan, der Rest der Pferde geht mit einem von euch – vielleicht denkt Sif, dass das die größte Gruppe ... wir werden sehen. Um aller Götter willen, werft die Uniformen weg, sobald ihr Gelegenheit dazu habt. Trefft euch wieder beim Stützpunkt im Wald, aber nur, wenn ihr ganz sicher seid, dass ihr die Verfolger abgeschüttelt habt. Wenn nötig, geht irgendwo in Deckung. Diejenigen, die das Gemetzel von Rochens Lager überlebt haben, werden wohl das Gleiche tun. Verbündet euch mit jedem, mit dem es möglich ist – und dann geht los und verbreitet die Neuigkeiten. Wir werden zurückkehren. Und dann sollten wir lieber eine Armee im Rücken haben.«
»Es wird eine Armee auf dich warten«, versprach Charo. Dann vermochte er den Clown in sich nicht mehr zu unterdrücken. Er blickte mit gespielter Bestürzung auf seine Stiefel. »Du meinst, ich muss diese verfluchten Dinger wieder ausziehen? Der Kerl, dem ich sie abgenommen habe, hatte drei Größen kleiner als ich – das ist genug Strafe, aber sie dauernd an- und auszuziehen ist die reine Folter. Wie gut, dass ich nicht zu Fuß gehen muss ...«
»Halt den Mund, Charo«, sagte Kieran liebevoll. »Reite los! Sag Rochen ...«, er hielt inne und schluckte plötzlich einen Kloß im Hals herunter. Rochen war ein guter Freund gewesen, ein fantastischer Hauptmann, aber es gab keine Garantie, dass er unter den Überlebenden jenes verhängnisvollen Lagers war, keine Garantie, dass er irgendeine Botschaft erhalten würde, die Kieran ihm schickte. Überhaupt würde er alle wichtigen Dinge ... wissen, ohne dass man sie ihm meldete. »Reitet jetzt los!«, sagte er schließlich nur und schlug Adamo auf die Schulter. »Mögen die Götter mit dir sein.«
»Und dir meinen Segen und meine Dankbarkeit und meine Liebe.«
Anghara. Irgendwie war sie aus dem Boot geklettert und ungehört in ihre Nähe
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