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Die Rückkehr der Königin - Roman

Die Rückkehr der Königin - Roman

Titel: Die Rückkehr der Königin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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aus Protest. Sie kamen nur noch im Schneckentempo voran. Auch fanden sie keine freundlichen Quellen mehr, die sich in den Schatten versteckten – nur ein einziges Mal bedeckte eine hauchdünne nasse Schicht einen Felsen. Die Kamele entdeckten das und leckten daran. Kieran hielt an und verbrachte etliche frustrierende Stunden damit, sich eine Möglichkeit auszudenken, wie sie zumindest einen ihrer Wasserschläuche füllen konnten. Dass er Erfolg hatte, lag nur an seinem Erfindungsreichtum und seiner Ausdauer. Anghara war so lange bei klarem Verstand gewesen, dass sie ihm das sagen konnte. Doch am nächsten Morgen schien sie alles vergessen zu haben, zog sich von ihm zurück und murmelte unverständliche Gebete zu fremden Göttern in einer Sprache, die Kieran nicht verstand.
    Als sie ihrem Ziel näher kamen, wurde Anghara von seltsamen Halluzinationen gepeinigt – Visionen, selbst heraufbeschworen durch ihren verwirrten Verstand. Als sie anhielten und Kieran mit zittriger Hand auf eine kahle Felsspitze deutete, schrie sie, dass sie die Türme von Miranei sehen könne und dass sie in einem riesigen Kreis geritten seien. Ein andermal starrte sie in die Ferne und sprach leise von roten Felsen, die das Meer geformt habe, und einem Fischerdorf, das sich an die Klippen schmiegte, sowie von einem großen Stehenden Stein auf einem hohen Felsvorsprung über dem Meer. In Wirklichkeit konnte sie nur lebloses, zerklüftetes graues Gestein sehen. Doch sie beschrieb alles so deutlich, dass Kieran glaubte, er könne das Salz im fernen Meer riechen und den Klang der Brecher am Fuß der Felsklippe des Orakels hören. Er hatte das Gefühl, dass diesmal ein Hauch des Zweiten Gesichts im Spiel war, denn Anghara wurde abends von Fieber und Schmerzen geplagt, war verwirrt und konnte am nächsten Tag nicht weiterreiten. Kieran konnte nichts anderes tun, als es ihr so bequem wie möglich zu machen und abzuwarten.
    Dann endlich begann der Abstieg. Ihr Pfad führte auf einem Hang eindeutig abwärts. Kieran erwartete von der Wüste Kheldrins keine Wunder, als sie diese erreichten – zumindest nicht, bis sie jemanden fanden, der die Fähigkeit hatte, Anghara zu heilen – aber zumindest würden sie die kahlen, seelenbetäubenden Berge hinter sich lassen und ein Land betreten, das Anghara ziemlich gut kannte. Die Last wäre leichter zu tragen, wenn sie jemanden fänden, der wusste, wie ihr zu helfen war. Seine schreckliche Hilflosigkeit trieb Kieran vorwärts, selbst wenn er zu einem Ort ritt, den er unter normalen Umständen nie zu sehen gewünscht hätte. Aber er sah, wie Anghara litt, und spürte selbst ihre Schmerzen. Inzwischen wollte er beinahe alles tun, was irgendwie helfen würde.
    Das Ende kam unerwartet. Kieran war so gewohnt, den grauen Fels ringsum zu sehen, dass er nur langsam begriff, was seine Augen ihm zeigten. Sie kamen unter einem riesigen Felsüberhang hervor und standen auf einem schmalen Plateau. Am Horizont traf sich in einer schmalen Linie der Himmel mit korallenfarbenen Dünen, sowie ab und zu einer roten Sandskulptur, die der Wind geformt hatte.
    Mehr als dieses kurze Zaudern brauchte Anghara nicht. Mit einem Freudenschrei trieb sie ihr Kamel vorwärts, offenbar nicht bemerkend, dass vor ihr ein Absturz von hundert Fuß klaffte, der sie von ihrer geliebten Wüste trennte. Kieran schrie eine unzusammenhängende Warnung und sprang aus dem Sattel. Er landete mit dem ganzen Gewicht auf einem Knöchel, der nachgab, so dass er auf dem felsigen Boden dahinrollte. Mit vor Schmerzen verzerrtem Gesicht kam er wieder auf die Beine und hinkte zu Angharas Kamel, um dessen Zügel zu packen.
    Bis zum Abgrund waren es nur wenige Schritte. Normalerweise hätte Kieran keine Chance gehabt. Aber etwas Übermenschliches trieb ihn vorwärts, Wut und Entrüstung. Und dafür haben wir in diesen verfluchten Bergen gelitten und uns weitergequält? Doch das allein hätte nicht gereicht. Als sich seine Finger um die Zügel schlossen, bemerkte er, dass etwas anderes das Tier zum Halten gezwungen hatte und zwar einige Sekunden, bevor er es erreichte. Schaudernd blickte er in den tiefen Abgrund, in den Anghara gestürzt wäre. Dann sah er, was das Kamel gebremst hatte.
    Oder vielmehr, wer.
    Auf diese Entfernung war die Gestalt winzig, aber es gab keinen Zweifel. Die wie Bronze schimmernde Haut, das glänzende kupferfarbene Haar, das die zurückgeschlagene Kapuze freigab ... einen Burnus hatte Anghara dieses Kleidungsstück genannt. Diese beiläufige

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