Die Rückkehr der Königin - Roman
lassen.«
»Soll ich verschwinden?«, fragte Kieran. Er stand mit vor der Brust gekreuzten Armen im Hintergrund. War es das alte, tief sitzende Misstrauen gegen die »Khelsies« oder etwas Neues, das mit Anghara und ihrer Gabe zu tun hatte? Kieran stellten sich die Nackenhaare auf; nie zuvor hatte er eine derartig starke Vorahnung gespürt. Es braute sich Ärger zusammen. So viel stand fest.
»Nein«, antwortete ai’Jihaar. »Sie wissen ohnehin, dass du hier bist; aber überlass mir das Reden.«
Kieran gehorchte nur zu gerne. Er zog sich zwei Schritte tiefer ins rötliche Halblicht zurück, das im Zelt herrschte und in dem seine Augen wie Saphire funkelten.
Anghara stand am Eingang. Plötzlich versteifte sich ihr schmaler Rücken, die Hände ließen die Zeltklappe los und flogen an ihre Schläfen.
»Geht es dir gut?«, fragte ai’Jihaar sofort, während Kierans Rechte instinktiv zum Schwert griff.
»Die Schmerzen ...« Anghara stöhnte und wich vom Zelteingang zurück.
»Bleib stehen!«, befahl ai’Jihaar Kieran ohne den Kopf zu wenden. Er war schon sprungbereit. »Das ist nichts, wobei du helfen kannst. Komm, Anghara!«
Anghara taumelte auf den Stapel Seidenkissen zu, auf dem ai’Jihaar lag, als draußen jemand rief: » Sa’hari, an’sen’thar? «
» Iman’et «, antwortete ai’Jihaar und blickte besorgt auf das schmerzverzerrte Gesicht des Mädchens, das zu ihren Füßen zusammengebrochen war. » Dan’ah «, fügte sie hinzu. Ohne Absicht hatte al’Tamar Kierans Wortschatz der kheldrinischen Sprache auf dem Ritt durch die Berge vergrößert, sodass dieser jetzt wusste, was sa’hari bedeutete. Ebenso die Antwort iman’et – tritt ein. Das dritte Wort war ihm noch nicht begegnet, aber die Bedeutung wurde offenbar, als die Zeltklappe zurückgeschlagen wurde und eine Abgesandte der kleinen Karawane, die gerade gekommen war, eintrat. Dan’ah . Allein.
Die Stimme, die um Einlass gebeten hatte, war kalt und selbstsicher und passte hervorragend zu der Gestalt in königlich goldenem Gewand, die jetzt in ai’Jihaars Zelt trat. Ohne Burnus sah man, dass ai’Dailes Gesichtszüge scharf wie gemeißelt waren, nicht von einem Bildhauer bearbeitet – nur harte Winkel, keine Kurven. Mit der Kinnlinie hätte man schneiden können, und ihre Augen glichen goldenem Eis. Sie überflogen Kieran flüchtig, schätzten ihn ab und wandten sich dann ab, als sei er nicht interessanter als ein unansehnliches Möbelstück. Kieran war entlassen und zum Schweigen verdammt, während die beiden Kheldrini-Priesterinnen in goldenen Gewändern, die Angharas Zukunft in den Händen hielten, sich in einer Sprache unterhielten, von der er kein Wort verstand.
»Du hast nach uns geschickt, an’sen’thar? «, sagte ai’Daileh ma’Sayyed. Der Ton war formell, korrekt, höflich; nicht weniger ehrerbietig als zwischen einer älteren an’sen’thar und einer jüngeren Schwester, die aber ebenfalls Gold trug, angebracht war – aber auch kein Sandkorn mehr. Tod und Sterblichkeit waren ai’Daileh nur allzu bewusst, als sie wie ein Kraftbündel dastand, zufrieden damit, ein wenig warten zu müssen – denn lang würde es nicht dauern, ehe ai’Jihaars Welt in ihre offenen Hände übergehen würde. Schließlich war sie jünger und stärker und von ai’Jihaars eigenen Göttern ausgewählt worden. »Ich bin mit sieben grauen Schwestern hergekommen. Sie warten draußen auf dein Wort, wie du befohlen hast. Sa’id al’Jezraal war nicht sehr mitteilsam. Er sagte nur, dass du uns sagen würdest, weswegen wir benötigt werden.«
»Sie ist der Grund«, sagte ai’Jihaar sehr leise.
Jetzt endlich glitten ai’Dailehs Augen zu Anghara hinab. Ihre Lippen kräuselten sich – leicht. Es konnte der Beginn eines Lächelns sein. »Die fram’man an’sen’thar . Ich habe über sie in den Aufzeichnungen gelesen, die ai’Farra über die Errichtung von Gul Khaima gemacht hat. Sie ist aus Sheriha’drin zurückgekehrt?«
Unter ai’Jihaars beruhigendem Streicheln hatte sich Angharas Gesicht leicht entspannt, aber ihre Wangen waren gerötet und ihre Augen ... Kieran hatte diese gepeinigten Augen schon einmal gesehen, auf den kahlen grauen Hängen der Berge, über die sie sich vorwärtsgekämpft hatten, um dieses Land zu erreichen. Anghara war wieder an einem Ort, von dem er geglaubt hatte, sie hätten ihn längst verlassen. Sein Herz sank; er spürte einen Stich in der Hand, welche um Angharas willen den schwarzen Dolch gespürt hatte. Doch war
Weitere Kostenlose Bücher