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Die Rueckkehr der Phaetonen

Titel: Die Rueckkehr der Phaetonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgi Martynow
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überhaupt nicht spürte. Im Gegenteil, im Zimmer war es sogar kühl. Offenbar ließ das Glas oder etwas anderes, woraus die Wand gemacht war, keine Wärmestrahlung durch.
    Die Biotechnik seines neuen Jahrhunderts war Wolgin bereits gut bekannt, daher ließ er die Wand mühelos dunkler werden und sah sofort einen weiteren Unterschied zu seinem Leningrader Haus. In Leningrad verdunkelte sich die gesamte Wand, und hier begann ein goldfarbener Schleier langsam vom Boden aufzusteigen. Als er auf die Höhe von einem Meter gestiegen war, stoppte Wolgin den Prozess - jetzt sah das Zimmer viel gewohnter aus. Wolgin sah sich genau im Zimmer um.
    »Die Architektur in Kosmograd ist nicht irdisch«, hatte Lucius gesagt. Offenbar betraf es nicht nur die Architektur, sondern auch die Innenausstattung. Der Boden, die Decke und die Wände, von der Außenwand abgesehen, waren nicht die, an die Wolgin gewöhnt war — sie schienen aus dichtem und geschmeidigem Schaummaterial zu bestehen. Der Boden federte fühlbar und erinnerte an einen sehr dicken Teppich. Die Farbe der Decke und der Wände war ein einheitliches Blassgelb und der Boden war grau. >Nicht besonders schön<, dachte Wolgin.
    Die Möblierung war eigentlich so wie überall sonst auch, aber jedes Möbelstück besaß ungewöhnliche Umrisse. Die Tische, die Sessel, das Bett — alles war irgendwie anders und sah völlig fremdartig aus. Alles wies auf eine ganz andere Vorstellung von Schönheit und Bequemlichkeit hin - die seltsam gezackten Umrisslinien stachen unangenehm ins Auge, die Farben waren zu grell und ihre Zusammensetzung höchst unpassend. >Ja, eindeutig nicht irdisch<, sagte Wolgin zu sich selbst. Aber von wem dann?< Er wusste genau, dass es im Sonnensystem keine Planeten gab, die von hoch entwickelten intelligenten Wesen bevölkert waren. Also war das eine Einrichtungskopie irgendeiner anderen Welt, die sich in einem anderen Planetensystem befand. Die Tatsache an sich, dass die Menschheit zu einer anderen Rasse Verbindungen hatte, konnte Wolgin nicht mehr erstaunen - aber er konnte nicht verstehen, wozu es nötig war, Kosmograd nach den Vorstellungen dieser anderen Welt zu bauen. Er erinnerte sich an die Worte von Muncius, dass der archäologische Fund auf dem Mars nicht nur nach den ersten interplanetarischen Flügen zurückgeblieben, sondern auch aus noch früheren Zeiten stammen könnte. Damals hatte Muncius empfohlen, ein Buch darüber zu lesen, dessen Namen Wolgin wieder vergessen hatte, aber dazu war er bisher einfach nicht gekommen. >Ich muss bei Gelegenheit Lucius fragen<, entschied er. >Er wollte mir doch sowieso erzählen, warum Kosmograd keine Erdstadt ist.<
    Nach einiger Zeit hatte Wolgin aber sowohl Kosmograd wie auch den Marsfund und alles andere vergessen. Lucius sagte ihm, die »Lenin«-Besatzung würde nicht am dreiundzwanzigsten ankommen, wie man zuerst gedacht hatte, sondern früher - am zweiundzwanzigsten.
    »Sie haben es geschafft, die Quarantänedauer um einen Tag zu verkürzen«, sagte Lucius. »So wie es aussieht, ist ihre Ungeduld auch ziemlich groß. Ich denke«, fügte er grinsend hinzu, »dass deine Anwesenheit etwas damit zu tun haben könnte.«
    »Also kommen sie ...«, begann Wolgin aufgeregt.
    »Morgen, um zehn Uhr.«
    »Und was ist mit dem Empfangskomitee? Schaffen sie es noch, sich zu versammeln?«
    »Klar. Gegen Abend werden alle hier sein.« Lucius sah seinen »Sohn« aufmerksam an. »Diese Nacht musst du durchschlafen, so wie alle anderen.«
    »Ich glaube, das schaffe ich nicht«, sage Wolgin.
    »Ich werde mich schon darum kümmern.«
    Den Rest des Tages war Wolgin wie vernebelt — nachher konnte er sich nicht mehr erinnern, was genau er gemacht und mit wem er gesprochen hatte. Und am Abend, zur gewöhnlichen Bettstunde, kam Lucius in sein Zimmer. »Leg dich hin!«, sagte er.
    »Ich werde doch eh nicht einschlafen können«, versuchte Wolgin zu protestieren - aber Lucius’ einzige Antwort bestand aus einem Lächeln. Als Wolgin sich ausgezogen und hingelegt hatte, legte ihm Lucius seine schmale Hand auf die Stirn. Ein paar Sekunden lang spürte Wolgin angenehme Wärme - er hatte das Gefühl, als würde ein schwacher Strom in seinen Körper fließen. Dann schlief er plötzlich ein und schlief tief und traumlos bis acht Uhr morgens. Die moderne Medizin kannte sichere Mittel, die den Schlafmitteln aus dem zwanzigsten Jahrhundert überhaupt nicht mehr ähnlich waren.
    Wolgin wachte frisch und munter auf. Das Zimmer war abgedunkelt

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