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Die Rueckkehr der Phaetonen

Titel: Die Rueckkehr der Phaetonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgi Martynow
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ununterbrochen beobachtet wurde. Als er einmal seine Liegeposition wechseln wollte und eine unvorsichtige Bewegung machte, änderte sich die dunkelgrüne Kuppelfarbe sofort in Weiß. Anschließend kam Wladilen hinein und rückte fürsorglich die Decke zurecht. Dann streichelte er kurz Wolgins Haar, als hätte er es mit einem Kind zu tun, und sagte, wobei er jede Silbe deutlich aussprach: »Seien Sie vorsichtig, es ist gefährlich.«
    Es war offensichtlich, dass man ihm auf keinen Fall irgendwelche Unbequemlichkeiten bereiten wollte, aber wie man ihn beobachtete, konnte er nicht verstehen. Offenbar war hier eine Fernsehkamera oder irgendein anderes optisches System am Werk. Auf Wolgins entsprechende Frage hatte Lucius geantwortet, dass er »auf dem Monitor« beobachtet würde. »Er wurde installiert, als Sie sich wieder bewegen konnten«, hatte Lucius hinzugefügt. »Als Sie noch bewegungslos lagen, war er unnötig.«
    All die Menschen, die um Wolgin herum waren (das Klinikpersonal, wie er sie für sich nannte), behandelten ihn sehr fürsorglich und lächelten ihm freundlich zu. Es schien, als bereite es ihnen Vergnügen, seinen Kopf oder seine Schulter zu berühren. Manchmal dachte Wolgin, dass man ihn hier wie ein geliebtes krankes Kind behandelte, aber es war ihm keineswegs unangenehm. Was Lucius anging, so konnte man seine Fürsorglichkeit ruhig mit der mütterlichen vergleichen — einmal hatte Wolgin es ihm auch so gesagt.
    »Sie haben Recht«, sagte dieser. »Sie sind unser Kind. Und ich bin vielleicht keine Mutter, aber ein Vater bin ich ganz bestimmt.«
    Für Wolgin klangen seine Worte weder lächerlich noch anmaßend. Er glaubte sofort, dass Lucius volles Recht hatte, so zu sprechen.
    Vom tagelangen Liegen hatte Wolgin die Nase voll und bat Lucius jeden Tag, ihn wenigstens für kurze Zeit nach draußen zu lassen. »Ich kann diese Kuppel nicht mehr sehen«, sagte er immer wieder - aber der Arzt blieb unerschütterlich. Auch blieben alle Fragen über die Umstände des »Erwachens« unbeantwortet. Das Geheimnis ließ sich nicht lüften. »Mit der Zeit erfahren Sie alles, was Sie interessiert«, war die Standardantwort. Die Zeit wurde langsam zu einem Tyrann und zog sich in quälender Eintönigkeit dahin. Trotz Lucius’ und los Worten, dass Wolgin bereits ganz gesund war, verweigerte man ihm hartnäckig die Bücher, mit immer denselben Worten. »Noch nicht. Das Lesen würde Ihnen schaden.«
    »Also bin ich doch nicht ganz gesund?«, drängte Wolgin.
    »Doch, das sind Sie, aber einige Einschränkungen sind immer noch notwendig. Zum Beispiel, aber das wissen Sie ja auch selber, werden Sie immer noch künstlich ernährt.«
    Das stimmte. Während der ganzen Zeit hatte Wolgin kein einziges Stück Essbares gegessen und keinen einzigen Schluck Wasser getrunken - dies wurden durch die helle Flüssigkeit ersetzt. Und obwohl Wolgins Magen absolut leer war, bereitete es ihm keinerlei Unannehmlichkeiten. »Ich werde wohl Probleme haben, mich wieder an normales Essen zu gewöhnen«, sagte er.
    »Nein, keineswegs«, entgegnete Lucius. »Sie werden sich schnell wieder an alles gewöhnen. Gedulden Sie sich noch ein klein wenig.«
    »Je eher, desto besser«, seufzte Wolgin.
    Und dann, eines Tages, kam ohne jede Vorankündigung das Ende seiner Gefangenschaft.
    Als Wolgin an diesem denkwürdigen Tag aufwachte, sah er, dass er sich im selben Pavillon befand wie früher, aber nicht mehr in dessen Mitte lag, sondern an der Wand. Die merkwürdige Decke, das Kissen, sein sonderbares Krankenbett - all das war verschwunden. Das niedrige breite Bett, auf dem er jetzt lag, war mit einem weißen Seidenlaken überzogen, dessen Farbe nun nicht mehr mit der der Kuppel übereinstimmte, die diesmal goldgelb war. Das war so ungewohnt, dass Wolgin sogar ein paar Minuten voller Interesse darauf wartete, dass das Laken auch gelb würde, nur dass es auch nach dieser Zeit nicht passierte. Ein Kissen, das genauso weiß war wie das Laken, lag unter seinem Kopf, und er war mit einer leichten und kuscheligen silberfarbenen Decke zugedeckt.
    Am Kopfende des Bettes stand ein Tischchen, das, wie es Wolgin schien, aus Elfenbein oder einem Material, das Elfenbein sehr ähnlich sah, hergestellt war. Auf dem Tischchen, auf einer blauen Serviette, stand eine Kristallvase mit einem Strauß aus Schnittblumen, unter denen Wolgin staunend einige sehr schöne, aber vollkommen unbekannte Arten sah. >Eindeutig, ich bin irgendwo weit im Süden<, dachte er.
    Am Fußende

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