Die Rueckkehr der Phaetonen
des Bettes stand ein Sessel, auf dem Unterwäsche lag und auf dessen Rückenlehne akkurat ein grauer Anzug von der gleichen Art wie der von Lucius aufgehängt war. Auf einer Matte neben dem Sessel standen ein paar Wildlederschuhe.
Wolgins Herz schlug schneller. Endlich war die Minute gekommen, auf die er so lange gewartet hatte!
Er stellte sich nicht mehr die Frage, wie diese Änderung zustande gekommen war. Darin, dass man auch jetzt seinen Schlaf ausgenutzt hatte, um die Umgebung zu wechseln, sah er die gleiche Fürsorglichkeit und Aufmerksamkeit der Menschen, die ihn umgaben und an die er sich bereits gewöhnt hatte. Sogar die Blumen waren nicht vergessen worden.
Er wollte bereits aufstehen, sah aber aus Gewohnheit noch einmal nach oben. Die Kuppel war nicht weiß, sondern hatte immer noch diese goldgelbe Farbe, die ein wenig der Sonne ähnelte. Aber die Chamäleondecke war nicht mehr da. Das bedeutete doch, dass er sich keine Gedanken mehr wegen der Beleuchtung zu machen brauchte, oder etwa nicht?
Während er nachdachte, schob sich der untere Kuppelteil auseinander, und Lucius kam herein. Er kam mit den üblichen leichten Schritten, deren Leichtigkeit Wolgin immer wieder aufs Neue verblüffte, näher und setzte sich an den Bettrand. Seine grauen Augen waren freundlich wie immer, aber heute sah Wolgin, dass darin auch Besorgnis war. Er hatte die Nuancen des Gesichtsausdruckes seines Arztes gut studiert und wusste genau, wenn dieser sehr wegen irgendetwas beunruhigt war.
Lucius sah Wolgin aufmerksam forschend an, dann lächelte er und tätschelte seinen Arm. »Wie fühlen Sie sich?«, begann er mit der Frage, die er jeden Tag stellte und die alle Ärzte seit Anbeginn der Zeit stellten, wenn sie zu ihren Patienten kamen.
»Wie soll ich diese Änderung verstehen?«, fragte Wolgin anstelle einer Antwort.
»Diese Änderung bedeutet, dass Ihre Behandlung beendet ist. Sie können aufstehen und rausgehen. Vom heutigen Tag an werden Sie wieder normal essen, und nach ein paar Tagen, wenn Sie sich daran gewöhnt haben, wird die ärztliche Beobachtung völlig eingestellt. Sie sind wieder vollkommen gesund geworden.«
»Das habe ich nur Ihnen zu verdanken, Lucius. Sie haben mich vor dem sicheren Tod gerettet, zu dem mich die Pariser Ärzte verurteilt haben. Ich weiß zwar nicht, wer Sie sind, hoffe aber, es zu erfahren ... mit der Zeit.« Wolgin lächelte.
»Diese Zeit ist gekommen. Sie können alles in Erfahrung bringen, was Sie möchten. Aber Ihre Genesung haben Sie nicht nur mir zu verdanken. Viele Menschen haben gearbeitet, um Sie wieder auf die Beine zu stellen. Mit gemeinsamen Bemühungen haben wir es am Ende doch noch geschafft. Die ganze Menschheit ist stolz auf diesen Sieg der Wissenschaft. Das einzige, was wir nicht wissen, ist, wie Ihre Einstellung gegenüber dem, was man mit Ihnen getan hat, sein wird. Diese Frage beschäftigt uns alle schon sehr lange. Sollten Sie uns deswegen beschuldigen, so muss ich Ihnen sagen, dass die Hauptschuld bei mir liegt.«
Nun konnte Wolgin seinen eigenen Ohren nicht trauen. Ein Arzt hätte einem Patienten, der ihm seine völlige Genesung verdankte, vieles sagen können
— aber niemals das, was Lucius jetzt zu ihm gesagt hatte. Anstelle von Erklärungen, auf die er so gehofft hatte, gab es wieder neue, noch seltsamere Rätsel. Oh, wie genug er inzwischen von ihnen hatte!
»Lucius«, sagte er. »Sie haben doch gerade eben gesagt, dass die Zeit gekommen ist, zu der ich alles erfahren kann, was ich möchte. Ich will die Wahrheit erfahren, nur die Wahrheit und nichts mehr. Sagen Sie schon! Wo bin ich? Wer sind Sie? Warum interessiert sich die ganze Erde für mich? Was ist mit mir passiert? Und warum nennen Sie die Heilung von einer tödlichen Krankheit >Schuld Das sind alles Fragen, auf die ich um eine klare Antwort bitte. Wenn Sie sie nicht beantworten können, dann sagen Sie es einfach!«
»Ich will Sie keineswegs quälen, Dmitrij«, erwiderte Lucius. »Ich bin nur deswegen gekommen, weil ich Ihnen alles erklären möchte, bevor Sie aus diesem Raum gehen. Aber das ist gar nicht so einfach, glauben Sie mir. Sie werden später alles verstehen. Ich habe gesagt, dass die Hauptschuld bei mir liegt. Ich selbst bin damit nicht einverstanden, aber viele tadeln mich für das, was ich Ihnen angetan habe. Sie sind mir wegen Ihrer Genesung dankbar, aber Sie irren sich - es gab keine Genesung, für die Sie mir dankbar sein könnten. Sie sind kein Patient, sondern ein
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