Die Rueckkehr der Phaetonen
tun?« Io zuckte die Schultern. »Ein Zusammenstoß zweier entgegen gesetzter Wünsche, hm? Wissen Sie, Wladilen, er hat sich selbst in seinen Wünschen verstrickt. Einerseits will er den Versuch fortsetzen und alle Zellen des Körpers, wie rief sie auch sitzen mögen, zwingen, wieder zum Leben zu erwachen, und andererseits kann er es kaum erwarten, den Körper zu obduzieren und nachzusehen, in welchem Zustand sich die inneren Organe befinden. Das eine schließt aber das andere aus und deswegen ist unser Lucius so mürrisch.«
Lucius lächelte. »Sie selbst sind doch kaum besser dran, Io«, sagte er ein wenig belustigt.
»Ich habe gehört, Sie haben die Erlaubnis zur Obduktion bekommen«, sagte Wladilen.
»Ja, sicher doch!«, erwiderte Lucius sarkastisch. »Man hat uns erlaubt, das Gehirn herauszunehmen, man sehe und staune. Und damit wir unsere Arbeit fortsetzen können, müssen wir alle Organe herausnehmen und uns mit jedem von ihnen beschäftigen. Aber man hat Angst, dass dann nichts mehr übrig bleibt, das man bestatten könnte.«
»Beruhigen Sie sich doch«, sagte Io. »Wir werden auch so einiges vollenden können. Und vielleicht kriegen wir auch die Erlaubnis, noch mehr zu tun. Es gibt keinen Grund aufzugeben.«
Plötzlich sprach Lucius hitzig und leidenschaftlich. »Die moralischen Prinzipien! Das Recht der Persönlichkeit auf uneingeschränkte Freiheit! Zu Lebzeiten und nach dem Tod! Das Ergebnis der Arbeit, die wir hier vollenden wollen, wäre der Sieg über all die wenigen Krankheiten, die der Menschheit noch geblieben sind. Ein solches Ergebnis würde den ganzen Aufwand und alle Verstöße gegen diese moralischen Prinzipien rechtfertigen! Und die können nicht anders als sich zu zieren!«
»Ich gehöre nicht zu denjenigen, die Sie eines Verstoßes beschuldigen«, sagte Wladilen. »Ich denke, Sie haben in sämtlichen Punkten Recht. Ihre Arbeit begeistert mich und ich wäre glücklich, wenn ich Ihnen dabei helfen könnte. Ich bin kein Mediziner und kein Biologe - aber wenn Sie eine Arbeitskraft brauchen, können Sie ruhig über mich verfügen.«
»Diese Jugend!«, sagte Io, wobei es nicht klar war, ob er Wladilens Gefühle guthieß oder missbilligte.
»Danke!«, sagte Lucius. »Wenn Ihre Zeit es erlaubt, arbeiten Sie mit uns zusammen. Es wird sich immer etwas finden, was Sie tun können.«
»Wenn es so ist, dann können Sie auf mich zählen«, grinste Wladilen.
»Wir werden Sie umqualifizieren«, sagte Io. »Von einem Astronomen zu einem Biologen. Aus dem Makrouniversum ins Mikrouniversum. Glauben Sie mir, es ist keineswegs weniger interessant.«
Kapitel 3
1
Beim Frühstück in einem kleinen gemütlichen Häuschen, in dem Lucius und seine Tochter wohnten, drehte sich das Gespräch natürlich nur um Dmitrij Wolgins Körper und die Arbeit, die daran verrichtet wurde. Wladilens Neugier war grenzenlos - er wollte alles auf einmal wissen. Und Lucius beantwortete geduldig alle seine Fragen.
»Also, erklären Sie mir noch einmal«, fragte Wladilen, »was passiert nun mit dem Körper? Warum liegt es in dieser Flüssigkeit?«
»Jetzt«, sagte Lucius, »wie schon die letzten drei Jahre, läuft der Prozess, der die toten Zellen, genauer gesagt, die Zellen, die ihre Tätigkeit vorübergehend eingestellt haben, wieder zum Leben erwecken soll. Diese Tätigkeit der lebendigen Zellen drückt sich in der Vermehrung, Teilung und Stoffwechsel mit der Umgebung aus. Die Flüssigkeit, die Sie gesehen haben, ist eine besondere Nährlösung, die durch die Poren in der Haut dringt und somit das gesamte Innere des Körpers ausfüllt. Diese Nährlösung, die die bestmögliche Umgebung für eine Stimulation der Lebensprozesse darstellt, wird von uns systematisch angereichert. Sie heißt >Wladilen< und ist vor dreihundert Jahren von einem großen Biochemiker synthetisiert worden, der genau wie Sie Wladilen hieß — seine Büste steht übrigens im Erdgeschoss im Labor. Dieser Wissenschaftler hat sich sein ganzes Leben mit den Fragen des Verfalls von lebendigem Gewebe beschäftigt und uns einige Dutzend nahezu zauberhafte Präparate hinterlassen. Das bemerkenswerteste von ihnen ist das W-64 — wenn Sie wollen, kann ich Ihnen später mehr darüber erzählen. Außer der Lösung verwenden wir auch noch die spezielle Strahlung. Haben Sie die Reflektoren rund um den Behälter gesehen?«
»Ja, natürlich. Sie haben mir noch gesagt, ich darf nicht zu nah an sie ran kommen.«
»Ja, genau. Mit Hilfe dieser Reflektoren wird der
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