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Die Rueckkehr der Phaetonen

Titel: Die Rueckkehr der Phaetonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgi Martynow
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wenn er nicht nur über sie las, sondern die Maschinen und Geräte auch noch sehen konnte. Auf die Weise hatte er auch viele Städte kennengelernt, deren Beschreibungen in Muncius’ Bibliothek waren, sich die neuen Transportarten angesehen und sogar einen Flug zum Mond »erlebt«, als er auf den Bericht über eine Forschungsexpedition zum Erdtrabanten gestoßen war. An dieser Expedition hatte auch Muncius teilgenommen und nun hatte Wolgin die Gelegenheit, ihn bei der Arbeit zu beobachten.
    Hier im Arbeitszimmer stand auch das Gerät, das sich Teleoff nannte — es war ein entfernter Nachfahre des Telefons.
    Im ganzen Haus gab es keine Teppiche, Vorhänge und ähnliches - die Menschen vermieden es, Staubansammlungen zu erzeugen, die die Arbeit der Reinigungsmaschinen erschweren konnten. Aber in einer Ecke des Arbeitszimmers lag ein Stück Teppich oder etwas, das sehr ähnlich aussah. Darauf stand ein Sessel und an der Wand daneben war eine kleine Scheibe mit kreisförmig angeordneten Ziffern am Rand. Das Funktionsprinzip des Apparates war so unverständlich und verblüffend, dass Wolgin sich trotz der vergangenen vier Monate immer noch nicht daran gewöhnen konnte und jedes Mal aufgeregt war, wenn er dieses »Telefon« benutzen wollte.
    Von außen sah alles einfach aus. Er setzte sich in den Sessel (das Teleoff im Stehen zu benutzen war nicht möglich) und wählte Lucius’ private Nummer, indem er nacheinander auf die Ziffern drückte. Außer mit seinem zweiten Vater sprach Wolgin mit niemandem. Nach einer Weile leuchtete im Zentrum der Wählscheibe ein grüner Punkt auf — das bedeutete, dass Lucius bei sich zu Hause den Rufton gehört hatte, zu seinem Apparat gegangen war und sich in den gleichen Sessel gesetzt hatte. Dann musste man auf den grünen Punkt drücken. Wolgin zwang sich jedes Mal mit einer Willensanstrengung, diese letzte Aktion auszuführen - das, was danach passierte, schien ihm so etwas wie eine Halluzination zu sein.
    Sobald er auf den Punkt drückte, erschien zwei Schritte entfernt, am anderen Ende des »Teppichs«, der zweite Sessel und Lucius, der in diesem Sessel saß.
    Sie konnten sich unterhalten, als wären sie tatsächlich im selben Zimmer, und nicht tausende von Kilometern voneinander entfernt. Sogar Lucius’ Stimme kam von der Stelle, wo Wolgin seine Lippen sah. Das Bild war so klar und real, dass die Gegenstände, die sich hinter dieser Erscheinung befanden, von ihr verdeckt wurden und nicht mehr sichtbar waren.
    »Steh auf!«, sagte Lucius, als sie sich zum ersten Mal am Teleoff unterhalten hatten. »Wenn du ein paar Schritte gehst, wirst du sehen, dass die Realität des Bildes nur scheinbar ist. Sobald du vom Sessel aufstehst, werde ich dich nicht mehr sehen können, aber du siehst mich nach wie vor. Komm schon!«
    Wolgin stand auf und tat wie ihm geheißen war. Er ging einfach durch den Sessel und durch Lucius, der darin saß, hindurch. Als er sich umdrehte, sah er weder das eine noch das andere. Aber als er wieder zum Sessel zurückkehrte, erschien das Bild sofort wieder.
    »Es ist zu schwer für mich, solche Sachen aufzufassen«, sagte Wolgin. »Ich kann so etwas überhaupt nicht begreifen.«
    »Da ist nichts Ungewöhnliches dran«, antwortete Lucius. »Einen Sprung vorwärts in der Zeit zu machen, so wie du ihn gemacht hast, ist keine Kleinigkeit. Aber du wirst dich schon bald daran gewöhnt haben.«
    »Werde ich das?«, seufzte Wolgin.
    Wenn der Anruf von Lucius selbst kam, dann erkannte Wolgin es am leisen melodischen Klingeln, das in allen Zimmern des Hauses ertönte. Dann musste man zum Teleoff gehen und sich in den Sessel setzen. Das Bild des Anrufers erschien sofort, und Wolgin wusste genau, dass in diesem Moment auch er selbst an gleicher Stelle in Lucius’ Haus auftauchte.
    Sie unterhielten sich sehr oft auf diese Weise, aber Wolgin konnte sich immer noch nicht an das Teleoff gewöhnen und war jedes Mal aufs Neue aufgeregt. Über das Teleoff konnte man nicht nur Lucius, sondern auch jeden beliebigen Menschen erreichen, wobei der Ort auf der Erde, an dem dieser andere Mensch sich befand, überhaupt keine Rolle spielte. Das Bild dieses Menschen erschien gehorsam in jedem Haus, aus dem man anrief. Eine derartige Radiokinotechnik war für Wolgins Verstand schlicht und einfach unbegreiflich.
    Das Teleoff war bereits vor einigen Jahrhunderten in den Alltag getreten. Seitdem hatten sich die Menschen so sehr daran gewöhnt, dass sie es sich ein Leben ohne dieses Gerät nicht

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