Die Rueckkehr der Templer - Roman
sein, aber er war auch schon neunzig, da durfte er sich getrost manchmal seltsam benehmen.
Vor dem Stadttor musterten die Wachmannschaften ihre Aufmachung und schickten sie zurück, hinunter ins Kidrontal. »Ihr müsst außen herumreiten«, rief einer der Wachleute, »wenn Ihr Euch bei den Pforten der Templer anmelden wollt.«
Gero lenkte die Truppe am Zionstor entlang, vorbei an der Kirche von Sankt Maria bis hinunter ins Kidrontal, wo eine Quelle den gleichnamigen Bach speiste, der zurzeit kaum mehr als ein Rinnsal war. Auch wenn er die Strecke noch nie absolviert hatte, kam sie ihm vollkommen vertraut vor. Immer wieder waren ihre Lehrmeister im Orden mit ihnen die Karte von Jerusalem und Umgebung durchgegangen. Für den Fall, dass ein erneuter Kreuzzug angeordnet worden wäre, der die Eroberung der Stadt mit einbezogen hätte. Obwohl auch sein Herz beim leibhaftigen Anblick all dieser Pracht gegen die Brust hämmerte, beschlich ihn doch ein mulmiges Gefühl. Was, wenn der Orden, den er hier in dieser Zeit erwartete, nicht das war, was man ihm einst so stolz verkündet hatte: ein Bund von Idealisten, die einem großen Geheimnis auf der Spur waren und dabei immer die Verbesserung |351| der Welt fest im Blick gehabt hatten? Was, wenn die Templer in dieser Zeit nur ein Haufen ungehobelter Söldner waren, die sich zwar zur Ehre der Heiligen Jungfrau bekannten, ihr aber nicht zur Ehre gereichten?
Im Vorbeireiten registrierte Gero unzählige heilige Stätten, die sich an die umliegenden Hügel schmiegten.
»Süßer Jesus«, jauchzte Stephano, als der Ölberg in Sichtweite kam. »Dort wollte ich immer schon niederknien und beten!«
Außer ein paar knorrigen Olivenhainen war weit und breit kein Baum zu sehen, und die Sonne brannte erbarmungslos auf die steinigen Hügel, die den Berg Moriah mit dem Tempelberg umgaben, wo einst Abraham seinen Sohn Gott zum Opfer dargeboten hatte.
Die wachhabenden Brüder von al-Aqsa wirkten nicht sonderlich erstaunt, als Gero beim Haupttor des Templerhauptquartiers unter dem Vorwand Einlass verlangte, man müsse dringend André de Montbard sprechen.
»Befindet er sich hier vor Ort?« Gero war von seinem Hengst gestiegen und nahm eine militärische Haltung ein.
»Seid ihr eingeschrieben oder wenigstens angekündigt?«, fragte der andere Wachhabende und schaute ihm direkt in die Augen.
»Eingeschrieben?« Gero sah ihn verständnislos an.
»In den hiesigen Büchern«, antwortete der Bruder. Der Schweiß rann ihm aus den kurz geschorenen Haaren hinein in den schwarzen Bart und weiter in den Kragen seines wollweißen Habits, während er die Papiere der Männer kontrollierte. »Oder gehört ihr zum angemeldeten Nachschub?«
»Nachschub«, verkündete Gero und dachte an Schwester Iovetas Bemerkung. Wahrscheinlich war das der sicherste Weg, um lästige Fragen zu vermeiden.
»Nachschub muss sich erst beim Kommandanten melden«, erklärte der Wachhabende. »Ohne in die Bestandsliste des Hauptquartiers eingeschrieben zu sein, könnt ihr niemanden sprechen, der zum Orden gehört. Also auch nicht André de Montbard.«
»Nun gut«, entgegnete Gero mit gespielter Gelassenheit, die den anderen nicht erahnen ließ, wie überaus wichtig ihm diese Begegnung war. Mit einem raschen Seitenblick bedachte er seine Männer. »Dann wollen wir uns einschreiben lassen.«
|352| »Was ist mit dem Alten?«, fragte der Wachhabende, als Gero zusammen mit Hertzberg passieren wollte.
»Er gehört zu uns«, sagte Gero, ohne sich seine Aufregung anmerken zu lassen. »Ein Veteran des Ordens – er wurde uns auf dem Weg hierher von Kameraden anvertraut, weil er bei einem Überfall verletzt wurde. Wir sollten uns um seinen sicheren Transport in die Heilige Stadt kümmern.«
Der Mann zog eine Braue hoch. »Unser Hospital ist zurzeit geschlossen, weil die Pfleger wegen der Belagerung alle nach Gaza und Blanche Garde versetzt worden sind.« Er schien einen Moment nach einer Lösung zu suchen, dann schüttelte er den Kopf und nickte Richtung Eingang. »Fragt oben nach, was mit ihm geschehen soll. Im Moment schicken wir alle Kranken ins Ordensstift der Hospitaliter, oben an der Davidsstraße, direkt gegenüber vom Heiligen Grab.« Beiläufig wies er einen anderen Bruder an, die Neuankömmlinge zum Schreibzimmer des stellvertretenden Marschalls zu bringen. Ein anderer Bruder brachte die Tiere in die Ställe des Salomo, nachdem Gero und Struan ihnen die Packtaschen abgenommen hatten.
Danach traten sie einzeln in das
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