Die Rueckkehr der Templer - Roman
Kommandeurszimmer des Seneschalls Peter de Vezelay, der den Großmeister Bernhard von Tramelay sowie den zurzeit in Gaza weilenden Templer-Marschall Hugo Salomonis de Quily ersetzte. Somit war er vor Ort für Waffen, militärtaktische Planung und die Einteilung der Truppen zuständig. Tanners Herkunft schien den hageren, mittelblonden de Vezelay nicht sonderlich zu interessieren. Er gönnte dem Herkunftsbuch eines gewissen Jacob von Tannenberg, das Jacks Geburt als adliger Ritter katholischen Glaubens bescheinigte, lediglich einen flüchtigen Blick. Gero stand neben den beiden und übersetzte Tanner die Fragen des stellvertretenden Marschalls auf Deutsch, weil er das Altfranzösische nur mäßig beherrschte und auch in Latein nicht sonderlich sattelfest war. Mehr scherzhaft überprüfte de Vezelay, der sich über dessen seltsame Aussprache wunderte, Tanners Bizeps, um den sich eindrucksvoll das Kettenhemd spannte. »Hauptsache, du kannst reiten und eine Lanze halten. Mehr brauchen wir im Moment nicht. Drei Tage Ausbildung, und dann geht’s ab an die Front.« De Vezelay lachte und entblößte dabei ein paar fleckige Zähne.
Tanner, der kein Wort verstanden hatte, vergewisserte sich mit einem |353| Seitenblick auf Struan und Johan, dass ihnen die Art des Mannes ebenso merkwürdig erschien wie ihm selbst. Überhaupt sahen die Typen, die ihnen auf dem Weg zu al-Aqsa begegnet waren, mit ihren wilden Bärten und ihren struppigen Haaren eher aus wie Piraten und nicht wie vertrauenswürdige Ordensritter.
Jack beruhigte sich damit, dass es ihm selbst im Irakkrieg kaum anders ergangen war. Schon nach wenigen Wochen hatte seine Mutter ihn auf Fotos nicht wiedererkannt und für einen arabischen Freischärler gehalten, weil er sich zur Tarnung einen langen Bart hatte wachsen lassen und ständig eine nachtschwarze Sonnenbrille trug.
Während de Vezelay sein Buch durchblätterte und sich immer wieder die rußigen Finger leckte, um auf die nächste Seite zu gelangen, hatte Arnaud plötzlich ein klares Bild vor Augen, warum die schöne Nonne in Bethanien so außergewöhnlich heftig darauf reagiert hatte, als er Wasser und Seife benutzte, um seine Hände zu waschen.
»Was ist mit dem Alten?« De Vezelay warf Hertzberg einen ungnädigen Blick zu. »Er kann hier nicht bleiben. Es ist niemand da, der ihn versorgen könnte. Ich schlage vor, ihr bringt ihn zum Hospital des Heiligen Johannes.«
»Wir können seine Behandlung selbst übernehmen«, erklärte Gero. »In ein paar Tagen ist er wieder auf den Beinen und kann sich eine eigene Unterkunft suchen.«
»Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?«, fragte de Vezelay ruppig. »Hier herrscht Ausnahmezustand. Wir haben weder Geld noch Platz für Alte und Kranke. Außerdem werdet ihr schon morgen ins Feld ziehen. Bringt ihn zu den Hospitalitern!«
Verdammt, dachte Gero. Er hatte nicht vor, mit irgendwelchen Neulingen nach Ramla oder Blanche Garde auszurücken. Er wollte lediglich seinen Auftrag erfüllen. Bis dahin musste Hertzberg in einem sicheren Lager auf sie warten. »In Ordnung«, stieß Gero wenig begeistert hervor. »Dann werden wir ihn eben dem Hospital anvertrauen.«
»Vernünftig«, brummte de Vezelay und kritzelte mit seiner Feder eine lateinische Notiz aufs Papier. »Bezieht eure Quartiere, geht beten, und dann habt ihr einen letzten Ausgang bis zur hereinbrechenden Nacht. Genug Zeit, um euren Freund in sichere Obhut zu bringen, bevor ihr selbst der Fratze des Todes ins Angesicht schaut.« Wieder lachte er – grob und wenig humorvoll.
|354| Gero ließ sich die Abscheu, die er gegenüber de Vezelays grobem Benehmen empfand, nicht anmerken. Ein kurzes Nicken, und seine Leute folgten ihm schweigend.
Die Unterkünfte der Templer in al-Aqsa waren im wahrsten Sinne des Wortes lausig. Tanner drehte eines der mit Baumwolle gefüllten Kissen von links nach rechts, wobei er die braunen Schweißränder zu übersehen versuchte.
Wie mechanisch strich er die graue Filzdecke auf der ihm zugewiesenen Pritsche glatt. »Das erinnert mich an meine übelste Zeit in Camp Lejuene«, sagte er zu seinen Begleitern, »als ich meine Ausbildung zum U.S. Marine begonnen habe und man uns in einem Mangrovensumpf ausgesetzt hat, wo wir eine Woche in einem ehemaligen Sträflingscamp übernachten mussten. Flöhe und Läuse inklusive. Wenn ihr mich fragt, ziehe ich es vor, unter freiem Himmel zu schlafen.« Zögernd sah er sich um. Das Dormitorium der Ritter befand sich in einem Seitentrakt der
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