Die Rueckkehr der Templer - Roman
folgte, war eine abenteuerliche Klettertour, die Anselm an den Rand der Verzweiflung trieb. Mit waghalsigen Schritten suchte er den unebenen Boden nach Halt ab, während seine Finger sich in minimale Felsvorsprünge krallten. Vor ihm ging Matthäus, der eine verblüffende Trittsicherheit an den Tag legte.
Unter ihnen rauschte immer noch das Meer, als sie eine enge Felsnische erreichten, die gerade groß genug war, dass sie sich zu dritt hineinquetschen konnten, als plötzlich oberhalb des Felsens feindliche Reiter auftauchten, die suchend in den Abgrund spähten.
Anselm schlug das Herz bis zum Hals, als er hörte, wie nahe ihnen die arabisch sprechenden Stimmen kamen. Khaled bedeutete ihm mit einem Handzeichen, dass sie noch eine Weile hier ausharren mussten, um unbehelligt nach oben gelangen zu können. Trotz der Aufregung knurrte Anselm der Magen. Seit Tagen hatten sie nichts Anständiges gegessen, und die Aussicht auf Freiheit hatte ihn neuen Mut schöpfen lassen. Matthäus war äußerst tapfer. Kein Wort der Klage kam über seine Lippen.
Bis zur Dämmerung verharrten sie in diesem Felsspalt, was Anselm wie eine Ewigkeit erschien, zumal ihnen Khaled verboten hatte, auch nur ein einziges Wort zu sprechen. Aber solange sie nicht sicher sein konnten, dass ihre Feinde sich verzogen hatten, war es einfach zu gefährlich, die Flucht fortzusetzen.
Erst als die glutrote Sonne über dem Meer in den violett schimmernden Horizont abtauchte, konnten sie annehmen, dass ihre Verfolger verschwunden waren. Khaled gab das Zeichen zum Aufbruch. Am Kamm der Klippe angelangt, orientierte er sich noch einmal.
»Die Luft ist rein«, flüsterte er und gab ihnen ein Zeichen, ihm zu folgen.
Anselm klebte die Zunge am Hals. Zum Glück schien der Assassine |482| trotz der hereinbrechenden Dunkelheit genau zu wissen, wohin er wollte.
»Wir marschieren Richtung Blanche Garde«, sagte er, als Anselm ihn nach seinem Ziel fragte.
»Die Templerburg?«
Khaled nickte. »Wobei wir uns an den von mir beschriebenen Weg halten werden.«
Anselm fragte sich, wie es sein würde, wenn er König Balduin III. begegnete oder dem uralten Patriarchen von Jerusalem, der, wenn man historischen Quellen Glauben schenken konnte, fast hundertjährig an der Belagerung von Askalon teilgenommen hatte.
Gut eine Stunde liefen sie durch zerklüftetes Land und über ein paar mit knorrigen Bäumen bewaldete Hügel, bis sie eine karge Wüstenlandschaft erreichten und von Ferne schon wieder Stimmen zu hören waren.
Im faden Mondlicht schimmerte etwas Helles, und als sie näher herankamen, sahen sie, dass es das Skelett einer verendeten Kuh war. Um das mulmige Gefühl zu unterdrücken, das er beim Anblick dieser gespenstisch wirkenden Kulisse empfand, konzentrierte sich Anselm auf seine Schritte und auf den Jungen, der ihm dicht folgte. Ab und an gab der Untergrund nach, und Anselm spürte panikartige Hitze in sich aufsteigen, weil er befürchtete zu versinken. Aber noch mehr trieb ihn der unbändige Durst und die Hoffnung auf Wasser.
»Ich habe Hunger«, murmelte Matthäus, und im nächsten Moment wehte ihnen der Geruch von gebratenem Fleisch durch die Dunkelheit entgegen. Khaled verlangsamte seine Schritte und horchte in die Nacht. Mit einer Hand befahl er seinen Schützlingen, langsamer zu gehen. Er selbst schlich sich an den Kamm eines sandigen Hügels heran und verharrte dort, bis er Anselm das Zeichen gab, dass sie ihm kriechend bis an die Kante folgen sollten.
Anselm hielt den Atem an, als er in ungefähr zweihundert Metern ein Zeltlager erblickte. In direkter Nachbarschaft zu ein paar Palmen und einem Wasserloch hatte jemand vier Rundzelte errichtet. Bei näherer Betrachtung zählten sie achtzehn Kreuzritter, die es sich an einem hell lodernden Lagerfeuer gutgehen ließen. Den Wappen nach zu urteilen, die man auf Röcken und Schildern der Männer ausmachen konnte, handelte es sich um eine bunte Mischung aus Templern, Hospitalitern, |483| Rittern vom Heiligen Grab und einer versprengten Anzahl von angeheuerten Söldnern aus den umgebenden Baronien.
Ein Lamm und zwei Hasen brieten auf einem Spieß. Weinschläuche und Räucherpfannen machten die Runde. Hier und da war ein kehliges Lachen zu hören oder ein deftiger Fluch.
»Haschisch«, flüsterte Khaled mit einer gewissen Genugtuung in der Stimme. »Allah ist groß! Das Kraut hat ihre Sinne betäubt. Besser könnten wir es nicht antreffen.«
Anselm sah ihn verständnislos an. »Sag bloß, du willst
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