Die Rueckkehr der Templer - Roman
gefüllten Weinschläuche tastete, die darunterlagen. Wenige Schritte davon entfernt stritten zwei Hospitaliter darüber, wer das größere Stück Fleisch erhielt. Einer der Männer stand auf, offenbar in der Absicht seinen Anteil an dem gebratenen Lamm in Sicherheit zu bringen. Dabei torkelte er in Khaleds Richtung, stolperte, geriet ins Wanken und landete mit dem Kopf direkt neben dem Weinschlauch.
Die Hand war verschwunden. Anselm spürte die Enttäuschung darüber beinahe körperlich. Seine Kehle war so ausgetrocknet, dass ihn das Schlucken schmerzte.
Der Ritter, mit Kettenhemd und Schwert ausgerüstet, lag am Boden, das Gesicht nach unten, und rührte sich nicht. Anstatt ihm zu helfen, ließ sein Kamerad ihn liegen und machte sich im Weggehen bei den anderen darüber lustig, dass der Kerl auf der Stelle eingeschlafen war. Nach einer Weile sah Anselm, wie sich der Schlauch erneut bewegte, vorsichtig an der Nase des reglosen Betrunkenen vorbei in Richtung Gebüsch. Mit einem Mal war der Schlauch gar nicht mehr zu sehen, doch es schien niemandem aufzufallen. Die Männer, die um das Lagerfeuer herum saßen, waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Knappen hatten sie keine. So, wie es sich darstellte, handelte es sich um einen berittenen Vorposten der Hauptarmee, die, wie Khaled erklärt hatte, vorwiegend in Blanche Garde und der neu errichteten Templerfestung in Gaza zu finden war.
Anselm fiel ein Stein vom Herzen, als Khaled nach einer kleinen Ewigkeit mit zwei Pferden zurückkehrte. »Ich danke Gott dem Herrn«, raunte er und nahm den prall gefüllten Weinschlauch entgegen.
»Trinkt, so viel ihr mögt«, sagte Khaled.
|486| Anselm reichte den Schlauch zunächst an Matthäus weiter, der in gierigen Zügen trank. Doch dann hielt der Junge plötzlich schuldbewusst inne und reichte den Schlauch an Anselm weiter.
»Nur einen Schluck«, sagte Anselm und kippte den Rotwein hinunter, als wäre es Traubensaft. Als er Matthäus’ Blick bemerkte, setzte er ab und gab dem Jungen den Rest, nachdem Khaled abgewinkt hatte.
Khaled hatte noch eine weitere Überraschung auf Lager, die er, in ein Tuch eingewickelt, mit sich trug. Gebratenes Lamm und ein üppiges Fladenbrot, so groß wie drei Handteller. Mit schmutzigen Fingern teilte er Brot und Fleisch, das der Ritter im Fallen verloren hatte, in drei gerechte Portionen, die sie gierig hinunterschlangen, bevor Khaled sie zur Weiterreise antrieb.
Anselm ließ seine Hand über den Rücken eines der Pferde gleiten.
»Die haben doch bestimmt ein Brandzeichen? Was ist, wenn man uns in Jerusalem als Diebe entlarvt?«
»Es sind Sarazenenpferde. Die Hospitaliter haben die Gäule selbst geklaut. Jedenfalls sind die Insignien des Emirs von Damaskus am Hals eines der Tiere zu finden. Vielleicht war es auch ein Geschenk. Aber das soll uns jetzt nicht kümmern. Hauptsache, wir kommen so schnell wie möglich von hier weg, ohne jemandem in die Arme zu laufen.«
Khaled spielte auf einen Überwachungsring von ungefähr dreißig Kilometer an, der die Festung von Askalon umgab. Ein Mitgefangener hatte ihm im Kerker berichtet, dass König Balduin und seine Männer mithilfe der Ritterorden und der Barone seines Königreiches schon seit dem Frühjahr die Festung eingekreist hatten und seitdem die Umgebung kontrollierten. Zu jeder Tages- und Nachtzeit patrouillierten christliche Reiter in dieser Gegend.
Khaled half Matthäus auf eines der Pferde. Anselm stieg hinter dem Jungen auf die Araberstute, die schon ein paar Jahre auf dem Buckel hatte. Khaled übernahm auf dem zweiten Pferd, einem temperamentvollen Hengst, die Spitze.
Eigentlich hatte Khaled nach Askalon zurückkehren wollen, um als Dieb verkleidet den Kelch zu stehlen, aber Anselm hatte recht. Seine Liebe zu Lyn war mindestens genauso stark wie die Sehnsucht nach Ruhm, Rache und Ehre. Dachte sie überhaupt noch an ihn?
Wenn er Anselm und den Jungen bis nach Jerusalem brachte, würden |487| alte Wunden aufbrechen und den Dämonen, die sich seit seiner Gefangennahme in seinem Herzen versteckten, zum Ausbruch verhelfen. Was wäre, wenn er seinen Groll auf Melisende nicht im Zaum halten konnte? Was, wenn Montbard ihm längst den Rücken gekehrt hatte und er feststellen musste, dass der alte Templer eine Mitschuld an seiner Gefangennahme und am grausamen Schicksal seiner Kameraden trug? Und was wäre, wenn Lyn nicht mehr an ihm interessiert war, ja vielleicht sogar inzwischen einem anderen gehörte?
Es wäre schlimmer als
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