Die Rueckkehr der Templer - Roman
Wüstensand. »Siehst du«, fuhr er fort. »Und wenn Allah, er ist groß und erhaben, es will, wird eine Palme daraus. Denn er nährt alles, was ihm würdig erscheint, genährt zu werden.«
»Dann muss es also Allahs Wille sein, dass wir dir über den Weg gelaufen sind«, sagte Matthäus mit altkluger Miene.
Khaled nickte lächelnd. »Du bist ein schlaues Kerlchen.«
»Und was wäre, wenn es doch reiner Zufall war?« Anselm sah Khaled herausfordernd an.
»An Zufälle glaube ich nicht«, widersprach Khaled kopfschüttelnd, »schon gar nicht, seit ich Lyn und ihrer Schwester begegnet bin.«
Gegen Mittag tauchte in der Ferne eine Hügelkette auf, hinter der sich die imposanten, mit Ocker verputzten Stadtmauern Jerusalems erhoben. Auf den Hochebenen rund um die Stadt flirrte die Gluthitze des Tages und spiegelte winzig erscheinende, umherziehende Karawanen wider, die lange Staubfahnen hinter sich her zogen, und dazu weit entfernte Palmenhaine, die eine Oase in unmittelbarer Nähe vorgaukelten.
In der Nähe der Stadtmauern herrschte reges Treiben, besonders auf den Straßen zwischen den unzähligen Kirchtürmen oder ehemaligen |490| Minaretten vor der Stadt, die seit der Eroberung vor gut fünfzig Jahren in christliche Hände gefallen waren. Alle Türme waren mit Glocken versehen, deren Klang zur Mittagszeit durch die heiße Luft vibrierte.
Anselm erschauerte bei dem Gedanken, in wenigen Minuten etwas zu sehen, was außer ein paar Eingeweihten noch kein Mensch seiner Epoche zu sehen bekommen hatte. Auch Khaleds Blick nahm mit einem Mal einen nachdenklichen, wenn nicht verletzlichen Ausdruck an. Offenbar beschäftigte den Assassinen schon seit längerem etwas, worüber er nicht reden wollte. Dabei vermied er es standhaft, Anselm ins Gesicht zu schauen.
»Denkst du, Franke …«, begann er zögernd und richtete sein Augenmerk auf das imposante Stadttor. »Glaubst du … sie wird sich freuen, wenn sie erfährt, dass ich noch lebe? Oder glaubst du, sie wird mich verfluchen, zumal ich nicht mehr der stolze Krieger bin, den sie einmal gekannt hat?«
Anselm konnte sich denken, dass er das Mädchen aus der Zukunft meinte, von der er genug erzählt hatte, um zu wissen, dass diese Verbindung mehr als eine Liebelei gewesen war.
»Natürlich wird sie sich freuen«, antwortete er mit einem diplomatischen Lächeln. »Und wenn sie’s nicht tut, war sie’s nicht wert.«
»Du bist ein weiser Mann, Franke«, erwiderte Khaled. Ein trauriges Lächeln huschte über sein von Hunger und Entbehrung gezeichnetes Gesicht. »Allah sei Dank für deine Worte.«
Bevor Arnaud nach Jussuf Ausschau hielt, um ihn mit einem Botengang in den Palast zu betrauen, galt es, Hertzberg aufzusuchen und ihn unbemerkt aus dem Hospital zu entführen. Ob der Alte jedoch in der Lage sein würde, sein Krankenbett zu verlassen, lag alleine in Gottes Hand.
Rona und Lyn bestanden darauf, Arnaud zu begleiten. Davon, dass sie weit mehr medizinische Kenntnisse hatten als er selbst, brauchten sie ihn nicht zu überzeugen. Schließlich hätte er seine Verletzungen nach dem Angriff der Löwen niemals ohne ihre Hilfe überlebt.
Als sie in den Innenhof des Hospitals einbogen, packte Rona Arnaud unvermittelt am Arm und zog ihn hinter einen buntbemalten Pfeiler.
»Was ist?«, raunte er und drehte sich ungehalten zu ihr um.
»Das Mädchen dort«, flüsterte sie und nickte in dieselbe Richtung |491| wie Lyn, die mit zusammengekniffenen Lidern eine junge Frau mit brünetten, hüftlangen Haaren beobachtete, die Wasser aus einem Brunnen schöpfte.
»Ihr Name ist Nesha«, erinnerte sich Arnaud. »Ich habe sie schon einmal gesehen, als wir den Professor ins Hospital eingeliefert haben. Sie arbeitet für die Ritter des heiligen Johann. Was ist mit ihr?«
»Sie ist keine Ordenshelferin, sondern eine Spionin des Königs«, bemerkte Lyn mit Argwohn im Blick. »Melisende hat sie vor zwei Jahren aus dem Palast geworfen, angeblich, weil sie auf der Seite ihres Sohnes stand und gegen sie intrigiert hat. Sie hat mit so ziemlich allen Männern des Hofes geschlafen, die etwas zu sagen hatten.« Sie schaute Arnaud an und zog eine ihrer fein geschnittenen Brauen hoch. »Selbst der junge König soll ihr Liebhaber gewesen sein. Ihre Arbeit im Hospital ist vermutlich nur Tarnung. Bei Nacht führt sie das Leben einer Konkubine, die sich jedem hingibt, der bereit ist, genug dafür zu zahlen. Dabei handelt sie mit brisanten Informationen, die sie auf diese Weise erlangt. Damals hatte
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