Die Rueckkehr der Templer - Roman
zusammen in ausladenden Betten. Adiba wies den beiden Neuankömmlingen ein Lager am Ende des Raumes zu, mit dem Hinweis, dass noch nicht entschieden sei, was weiter mit ihnen geschehen werde.
»Morgen wird es leerer werden. Die meisten Frauen, die Ihr hier seht, werden nach Kairo verschifft. Über Euer Schicksal entscheidet |611| der Wesir«, gab sie gähnend zu verstehen. »Und der hat im Moment andere Sorgen.«
Als sie ging, nahm sie die Öllampe mit sich und schloss leise die Tür. Lyn und Rona schalteten auf Nachsichtmodus und machten sich auf die Suche.
Bett für Bett scannten die beiden die Gesichter der Schlafenden ab, bis sie endlich fündig wurden. Es musste Amelie sein, die Frau des imposanten Schotten. Niemand hatte so lange, so hellblonde Locken wie dieses Mädchen. Daneben erkannten sie Hannah, die im schwachen Mondlicht, das durch die Dachfenster hereinfiel, aussah, als ob sie einer dieser gemalten Heiligenscheine zierte. Sie hatte gleichmäßige Züge und halblanges, kastanienfarbenes Haar. Arnaud hatte sie als nicht ganz so zierlich wie Amelie beschrieben. Sie war tatsächlich größer als die anderen Frauen.
Rona beschloss, sie als Erste zu wecken. »Sie wird am ehesten begreifen, worum es uns geht«, flüsterte sie ihrer Schwester kaum hörbar zu. Dann kniete sie sich in einer katzenhaften Bewegung zu Boden und legte der jungen Frau eine Hand auf die Stirn. Hannah riss voller Panik die Augen auf und wollte sie im Reflex von sich stoßen. Rona hielt ihr den Mund zu und presste sie mit der anderen Hand derart stark in ihr Kissen, dass sie sich nur minimal bewegen konnte.
»Pssst«, flüsterte sie Hannah ins Ohr. »Ich soll dich von Gero grüßen, er erwartet, dass wir dich und die anderen lebend aus der Festung herausbringen.« Sie hatte fließend Hochdeutsch gesprochen.
Ein Moment grenzenloser Verblüffung zeichnete sich in den großen, hellgrünen Augen ihres Gegenübers ab. Sofort gab Hannah jede Gegenwehr auf. Rona wartete noch einen Augenblick, bis sie es wagte, ihre Hand zurückzuziehen, um ihr zu erklären, wer sie waren und warum sie nicht anders vorgehen konnten.
Am Lager der blonden Nachbarin hatte Lyn ihr Glück versucht, und auch ihr war es gelungen, das Mädchen allein durch die Erwähnung des Namens Struan zum Schweigen zu bringen.
»Wer seid ihr?«, flüsterte Amelie verstört.
»Die beiden Frauen aus der Zukunft«, gab Lyn zur Antwort. »Ich bin Lyn, und das ist meine Schwester Rona. Von uns habt ihr den Timeserver.«
»Wo sind Gero und die anderen Männer?«, fragte Hannah, die nur |612| langsam zu begreifen schien, was hier vor sich ging, und sich leise erhoben hatte. Wie Amelie trug auch sie einen hochgeschlossenen Seidenkaftan, der bis fast zu den Knien ging, und darunter eine weite Hose.»Arnaud und Struan sind hier auf der Festung, die anderen lagern in Gaza, wo sie darauf warten, dass wir zusammen mit euch von hier fliehen können.«
»Und was ist mit Anselm und dem Jungen?«, fragte Hannah atemlos.
»Keine Sorge«, entgegnete Rona. »Den beiden geht es gut. Nachdem ihnen die Flucht aus dem Kerker gelang, sind sie zum Tempelberg geflohen. Anselm haben die Templer zusammen mit Gero und den anderen nach Gaza abkommandiert … und Matthäus befindet sich in der Obhut von André de Montbard in Jerusalem.«
»Bei wem?« Hannah schien noch Zeit zu benötigen, um diese Neuigkeiten zu verarbeiten.
»Dem zukünftigen Templergroßmeister. Er gibt darauf acht, dass dem Jungen nichts geschieht.«
»Wir müssen hier weg«, sagte Rona. »Lyn und ich werden euch den Weg weisen. Schon morgen werden die Christen die Stadt angreifen.«
Hannah schaute auf das leere Bett neben ihr. Dann sah sie zu Rona auf. »Was ist mit Johan?«
»Ist das einer von den Templern, die sich in Geros Begleitung befunden haben?«
Hannah nickte nervös.
»Dann ist er wie Gero nach Gaza geritten. Es gibt also keinen Anlass zur Sorge.«
»O doch, seine Frau ist nicht hier.« Hannahs Blick fiel abermals auf das leere Bett. »Wir müssen auf Freya warten. Wir können nicht einfach verschwinden und sie ihrem Schicksal überlassen.«
»Wann wird sie zurück sein?«, fragte Rona.
»Ich weiß es nicht«, gestand Hannah. »Sie ist beim Wesir, er will immer, dass sie bis zum Morgen bleibt.«
»Sie schläft mit ihm?« Rona zog überrascht eine Braue hoch, als Hannah nickte.
»Aber kein Wort zu Johan, wenn er uns irgendwann über den Weg laufen sollte.«
»Tut sie das freiwillig?«
»Natürlich nicht«,
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