Die Rueckkehr der Templer - Roman
Bleibe den Eindruck, als wäre eben erst eine Horde Fatimiden hindurchgeritten. Kleider, Strümpfe, Stiefel und Kettenhemd lagen verstreut auf dem Boden, das |154| Bett befand sich in zweideutiger Unordnung, und ein Teller mit den Resten einer kürzlich eingenommenen Mahlzeit stand auf dem Teppich. Mitten in all dem Durcheinander saß Morgiane und maunzte so herzzerreißend, dass es einem das Wasser in die Augen trieb. Als sie Khaled bemerkte, machte sie einen Buckel und fauchte, dabei war ihr blauer Blick zutiefst anklagend, als wollte sie sagen: Wie konntest du mich einfach im Stich lassen!
Rona war an Nesha vorbei hinter ihm her geeilt. Als sie die Katze sah, blieb sie interessiert stehen. »Eine Katze?«, stellte sie verblüfft fest, als handele es sich um ein seltenes Tier.
Lyn war ihr gefolgt, auch sie schien ganz fasziniert von Morgiane.
»Kann man sie anfassen?«
»Wenn man nicht Khaled heißt und sie ständig vernachlässigt …« Nesha lehnte mit überkreuzten Armen im Türrahmen und fragte sich offensichtlich, was hier gespielt wurde. Sie bückte sich und machte eine Bewegung mit den Fingern, als ob sie einen Leckerbissen bereithielt. »Morgiane, mein Schätzchen, komm her, du Arme … Hat dein Herrchen dich wieder mal einfach zurückgelassen?«
Die Katze reagierte sofort und lief zu ihr hin. Ohne Gegenwehr ließ sie sich von Nesha auf den Arm nehmen und streicheln.
Nach einem kurzen Moment des Erstaunens erwachte Rona aus ihrer Erstarrung. »Khaled, wir müssen reden«, sagte sie und näherte sich ihm so weit, dass sie sich Auge in Auge gegenüberstanden. »Du musst uns unverzüglich zu jemandem bringen, der bei den Templern etwas zu sagen hat.«
»Jetzt?« Khaled, der damit begonnen hatte, sich vor den Frauen zu entkleiden und sich nun ein weißes, knielanges Hemd überzog, sah sie ungläubig an. »Sagte ich nicht, dass der Templermeister mit dem königlichen Gefolge in Palmaria es-Safi weilt?« Seelenruhig wechselte er unter dem Hemd seine Hose und stieg dann barfuß in seine hellen Stiefel. »Es dauert mindestens noch eine halbe Woche, bis Bruder Everhard und seine Leute nach Jerusalem zurückkehren. Und auch danach werden sie sich nicht lange in der Stadt aufhalten.«
»Es ist dringend.« Ronas Stimme klang schneidend. »Wir können nicht warten.« Sie dachte an Lion und dass er knapp tausend Jahre entfernt einen grausamen Tod starb, wenn es ihnen nicht gelang, die Geschichte |155| zu verändern. Nach Lions Theorie liefen die verschiedenen Zeitzonen parallel und horizontal – nicht vertikal, wie so gerne vermutet. Da es Lyn offenbar nicht möglich war, in die ursprüngliche angewählte Zeitebene zu reisen, blieb ihnen gar nichts anderes übrig, als ihr Glück im Hier und Jetzt zu versuchen.
Khaled reagierte nicht sofort. Während er durch sie hindurch schaute, schien er gedanklich nach einer Lösung zu suchen.
Rona verlor die Geduld. »Gibt es denn niemanden in diesem verdammten Orden, der in Jerusalem geblieben ist und etwas zu sagen hat?«
Nesha blickte betroffen auf. »Das Wort ›verdammt‹ im Zusammenhang mit den Templern würde ich nicht als schicklich bezeichnen«, mischte sie sich ein. »Der Seneschall ist im Hause.« Ihr Blick galt Khaled, der damit begonnen hatte, sein Bett in Ordnung zu bringen. »Es ist zwar schon spät, aber vielleicht ist Montbard wegen des Überfalls noch wach und wird euch empfangen.«
»Montbard?«, klang es zweistimmig. Lyn und Khaled hatten gleichzeitig gesprochen und schauten sich nun verdutzt an.
»Du kennst ihn?« Khaled wusste nicht, worüber er sich mehr wundern sollte, darüber, dass der stellvertretende Großmeister der Templer nicht nach Palmaria gereist war – oder darüber, dass Lyn den zweithöchsten Mann im Orden kannte, aber bei ihrer ersten Begegnung nicht gewusst hatte, wie weit entfernt Jerusalem lag.
»Kennen wäre zu viel gesagt«, erklärte sie. »Ich weiß, dass er zu den Gründungsmitgliedern der Templer gehört, deshalb sagt mir sein Name etwas.«
»Denkst du, er könnte euch helfen?« Khaled sah sie auffordernd an. Bruder André gehörte zu den Gründern der Templer, ähnlich wie Bernhard von Clairvaux, ein rühriger Zisterzienserprior, dessen Onkel er war und der den Orden in seinen Gründungsjahren beim Papst unterstützt hatte. Zum Seneschall – ein Amt, das dem höchsten, königlichen Kanzleibeamten entsprach – war André de Montbard erst vor kurzem gewählt worden. Khaled konnte mit Stolz sagen, dass dieser Mann
Weitere Kostenlose Bücher