Die Rueckkehr der Templer - Roman
es auch kein Blutvergießen mehr.«
Khaled beschloss, auf eine solche Ungeheuerlichkeit nicht zu antworten, und da Lyn offenbar auch nichts dazu sagen wollte, fuhr er in seinen Erläuterungen fort und deutete nach rechts über die flachen Dächer des armenischen Viertels hinweg. »Weiter im Südosten befinden sich neben ein paar eher unspektakulären Versorgungsgebäuden die Unterkünfte der Templer. Sie haben nach der Gründung des Ordens vor ungefähr zwanzig Jahren in der ehemaligen al-Aqsa-Moschee im Südosten Quartier bezogen. Einen Teil der Moschee haben sie zum Refektorium umgebaut, der Rest der alten Moschee teilt sich in ein Dormitorium und eine Kapelle, die nachträglich von den Christen geweiht wurde. Seitlich daran anschließend findet man die frühere, provisorische Unterkunft der Könige von Jerusalem. Der erste Herrscher |160| der Stadt, Godefroy de Bouillon, hat eine Weile darin logiert, und später, nach seinem Tod hat sein Bruder Balduin, der erste König von Jerusalem, die Gemächer bewohnt, bis der Palast neben dem Patriarchen von Balduin II. fertiggestellt wurde. Die alten Räumlichkeiten werden inzwischen von den Templern als Gästehaus genutzt.«
»Und wie viele Templer leben dort für gewöhnlich?«
»In guten Zeiten sind dort etwa dreihundert Männer stationiert.«
»Was meinst du mit ›guten Zeiten‹?«
»Das hängt ganz davon ab, wie viele Ritterbrüder in den unzähligen Scharmützeln, die sie sich ständig mit muslimischen Kriegern liefern, zu Tode kommen. Und ob es Nachschub aus dem Abendland gibt.«
Die drei hatten die Wachen beinahe erreicht. Eine steinerne Brücke führte das letzte Stück des gepflasterten Weges über einen breiten Graben, in den das Mondlicht tiefe Schatten zeichnete. Rechts davon konnte man eine gewaltige Mauer erspähen, die aus der Schlucht aufstieg und deren Krone auf Seiten des Tempelberges von flacheren Häusern und einem gewaltigen Turm überschattet wurde.
»Das ist die Westmauer«, erläuterte Khaled. »Direkt dahinter befindet sich der Friedhof für ihre Würdenträger. Die anderen, gewöhnlichen Brüder beerdigt man im Ostteil der Plattform. Dieser Friedhof zählt zu den größten in der ganzen Stadt.« Mit einem zweideutigen Lächeln kehrte er zu seinen letzten Ausführungen über das übliche Schicksal der Templerbrüder zurück. »Je nachdem, wie unfähig ihre Vorgesetzten sind, sterben sie wie die Fliegen. Manche sind einfach zu schlecht ausgebildet, und manche sind so töricht, dass sie glauben, nur weil sie Christus an ihrer Seite haben, seien sie unverwundbar. Wenigstens garantiert man ihnen eine letzte Ruhestätte, wo die Christen die Rückkehr ihres Messias erwarten, damit sie ihm ins Paradies folgen können.«
Beinahe hatten sie die Wachen erreicht, aber weil Lyn ihn ermunterte, ihr noch mehr zu erzählen, sprach er weiter, wobei er Rona ignorierte. »Der Tempelberg ist gewissermaßen eine Stadt in der Stadt. Er ist von hohen Mauern umgeben und verfügt über mehrere riesige, unterirdische Wasserspeicher, die seine Bewohner bei einer Belagerung unabhängig von der Versorgung Jerusalems machen. Sie werden durch große, unterirdische Aquädukte aus den umliegenden Hügeln in Herbst und Winter mit ausreichend Regenwasser geflutet. Außerdem |161| besitzen Templer wie Chorherren eigene Weizen- und Tierfutterspeicher, die ebenfalls für ein ganzes Jahr ausreichen. Unterhalb der Plattform, in den ehemaligen unterirdischen Hallen des Salomo haben die Templer weiträumige Stallungen eingerichtet, die in guten Zeiten mehr als zweitausend Reittiere aufnehmen können. Der Dung, der anfällt, beheizt einen Backofen. Die Stallungen besitzen drei eigens bewachte südöstliche Zugänge, die, wenn genug Personal vorhanden ist, das rasche Ausrücken regelrechter Reiterhorden ermöglichen.«
Lyn nickte verständig, und Khaled, der sich über ihre ungeteilte Aufmerksamkeit freute, zwinkerte ihr aufmunternd zu. »Aber wahrscheinlich wird dir am besten der wunderbare Obst- und Gemüsegarten gefallen, den sie oberhalb der Stallungen angelegt haben. Dort findest du so ziemlich alle Obstsorten, die sich in der Schale befanden, die Neshas Dienerinnen euch serviert haben – bevor eure seltsame Waffe alles zu Asche hat zerfallen lassen.«
Khaled konnte den Funken Ironie, der aus seiner Bemerkung herauszuhören war, schwerlich unterdrücken. Natürlich war es jammerschade, dass er die Waffe nun nicht mehr inspizieren und für seine Zwecke verwenden konnte,
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