Die Rückkehr der Templerin
prallte hastig zurück, um nicht gesehen zu werden. Abbé war einer der wenigen Menschen auf der Welt, denen sie vorbehaltlos vertraute, und dennoch spürte sie, dass es im Moment gefährlich für sie wäre, von ihm hier entdeckt zu werden. Sie war nicht sicher, ob er tatsächlich noch derselbe Mann war, den sie das letzte Mal auf dem Deck der sinkenden Sankt Christophorus gesehen hatte. Bei diesem Gedanken überkam sie eine Mischung aus Bitterkeit und Zorn, der keinem speziellen Ziel galt, sondern einem Schicksal, das ihr nun offensichtlich auch noch das Letzte nahm, was ihr geblieben war.
Die Stimmen auf der anderen Seite des Ganges brachen plötzlich ab, und dann war das Geräusch hastiger Schritte zu hören, die sich schnell entfernten. Eine Tür schlug. Robin war für einen Moment vollkommen verwirrt - hatte sie ein Geräusch gemacht und sich damit verraten?
Abermals hörte sie das Geräusch von Schritten; aber diesmal war es hinter ihr! Erschrocken fuhr sie herum, und ihr Herz begann schon wieder wie wild zu klopfen, als sie die hoch gewachsene, in ein schmuckloses, knöchellanges Kettenhemd gehüllte Gestalt sah, die aus der Dunkelheit des Ganges hinter ihr aufgetaucht war. Der Mann schien im allerersten Moment mindestens genauso verblüfft zu sein, sie zu sehen, wie sie umgekehrt ihn, doch er fand seine Fassung weitaus schneller wieder als sie. Mit einem herausfordernden Schritt trat er auf sie zu und blieb gerade dicht genug vor ihr stehen, dass es ihr unangenehm war. »Halt!«, sagte er mit fordernder, scharfer Stimme. »Wer seid Ihr?«
Robin starrte den Mann einen halben Atemzug lang einfach nur verstört an. Ihre Gedanken überschlugen sich, schienen sich zugleich aber auch so träge zu bewegen, als wäre ihr Kopf mit halb geschmolzenem Pech gefüllt. Der Mann - zweifellos ein Wachtposten auf seiner Runde - war einen guten Kopf größer als sie und mindestens dreimal so alt. Sein stoppelbärtiges Gesicht war von den endlosen Jahren verbrannt, die er es in die unbarmherzige Sonne des Orients gehalten hatte, und allein der Klang seiner Stimme machte Robin klar, wie wenig er sich von ihrem weißen Templergewand beeindrucken ließ. Er trug nur das knöchellange Kettenhemd und nicht einmal Schuhe, hatte aber einen Schild am linken Arm befestigt, einen Speer in der rechten Hand und ein wuchtiges Schwert in einer ledernen Scheide am Gürtel, dessen deutliche Abnutzungsspuren am Griff verrieten, dass er die Waffe nicht nur zur Zierde mit sich führte. Sein mehr als schulterlanges, grau gewordenes Haar lugte in Strähnen unter einem verbeulten Helm hervor, der ihm nicht nur um mindestens eine Nummer zu groß war, sondern auch nicht so recht zum Rest seiner Ausrüstung passen wollte. Vermutlich ein Beutestück, das seinem früheren Besitzer wenig Glück gebracht hatte.
»Was Ihr hier sucht, habe ich gefragt«, wiederholte er scharf, als Robin nicht sofort antwortete, sondern ihn nur weiter verwirrt ansah.
Sie sagte auch jetzt noch nichts, sondern zog sich rasch einen halben Schritt von dem Mann zurück. Er hatte die Distanz, in der sie die Nähe irgendeines anderen Menschen - mit Ausnahme Salims vielleicht - ertrug, eindeutig unterschritten, und er stank nach Knoblauch, Schweiß und anderen, schlimmeren Dingen.
Robin geriet endgültig in Panik. Alles, was sie gelernt hatte, schien vergessen, alles, was Bruder Abbé, Salim und seine Assassinen ihr beigebracht hatten, zählte nicht mehr. Ohne dass es einen wirklichen Grund dafür gegeben hätte, spürte sie nichts anderes als nackte Angst vor diesem Mann. Und es wurde schlimmer. Ihre Reaktion war so falsch, wie sie nur sein konnte, und aus dem Misstrauen in seinem Blick wurde etwas anderes, weit Gefährlicheres.
»Bruder Robin! Da bist du ja! Endlich!«
Robin fuhr abermals und vielleicht noch erschrockener zusammen, und auch der Wachtposten runzelte überrascht die Stirn und drehte sich dann mit einer schnellen Bewegung herum, als die Stimme hinter ihm erklang. Eine weitere Gestalt trat aus den nachtschwarzen Schatten heraus, die den Gang erfüllten, und Robin riss erstaunt die Augen auf, als die Gestalt mit einer beidhändigen raschen Bewegung die Kapuze zurückschlug und Rothers Gesicht darunter zum Vorschein kam.
»Und ich dachte schon, ich würde dich gar nicht mehr finden«, fuhr Rother mit einem leisen Lachen fort. Sein Blick streifte betont beiläufig das Gesicht des Wächters, bevor er kopfschüttelnd und in gutmütig-spöttischem Ton fortfuhr:
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