Die Rückkehr der Zehnten
Einige grausam hell klingende Schwertschläge lang kämpften sie, während die Sarazenen die Krieger immer noch mit den Kurzbeilen in Schach hielten. Schließlich sprang Dabog mit einer flinken Wendung vor und schlug nach dem Handgelenk der Desetnica. Sie fluchte vor Schmerz, das Schwert fiel zu Boden.
»Hier hast du Poskurs Urteil!«, donnerte Dabog. »Du bist Abschaum. Und nicht einmal den Scheiterhaufen wert, auf dem du brennen wirst.«
Er ist wahnsinnig!, dachte Lis. Sieht er nicht, dass er bereits verloren hat? Einer der Sarazenen lächelte.
Intisars Augen verengten sich, ihr Gesichtsausdruck veränderte sich zu einer kriegerischen Gleichgültigkeit. Nur Lis sah, wie müde die zehnte Tochter war, wie erschöpft von dem Schauspiel, das sich ihr bot. Sie hatte zu viele Sklavenmärkte gesehen und zu viele Nächte gegen ihre Albträume gekämpft, als dass sie diesen Satz einfach so hinnehmen konnte. Lis erkannte, dass Intisars Geduld am Ende war.
Mit einer Bewegung, die zu schnell war, um sie mit den Augen zu verfolgen, tauchte die Piratin unter Dabogs Klinge weg und griff nach dem Schwert. Im nächsten Moment starrte Dabog fassungslos auf den Griff der Waffe, die aus seiner Brust ragte.
»Niam!«, schrie er auf, dann fiel er auf die Knie und kippte auf das Gesicht.
Mokosch heulte in Lis’ Armen auf. Lis spürte ihre Hände nicht mehr, ihr war es, als würde sie körperlos in diesem Raum schweben, der die Hölle sein musste, gefangen in einem Wahnsinn, der nie enden würde.
Beißender Rauch, der nach verbranntem Öl und Räucherwerk roch, quoll zur Tür herein. Entsetzen packte Lis mit eiskalten Klauen und riss sie aus ihrer Trance ins Leben zurück. »Die Scheiterhaufen brennen!«, brüllte sie wie von Sinnen. »Levin!«
Mokoschs Augen waren riesengroß und glühten wie zwei dunkelbraune Sonnen in einem weißen Himmel. Mit festem Griff befreite sich Lis aus Mokoschs Umklammerung, sprang auf und rannte.
Sie achtete nicht auf die Rufe, die hinter ihr hallten, sondern rannte den Gang entlang, die Treppe hinunter nach draußen. Der Rauch wurde immer dichter. Sie musste husten, doch sie lief weiter, auch wenn ihre Lunge sich anfühlte, als wäre die Luft, die sie einatmete, eine Wolke aus Eisenspänen. Im Laufen riss sie sich ihr Tuch vom Hals, um es sich vor den Mund zu halten.
Keuchend kam sie beim Tor mit dem herausgebrochenen Schloss an und stieß es mit dem Fuß auf. Sie stürzte in den Palasthof und warf das Tuch weg. Gierig sog sie die frische Luft ein.
Die meisten Verwundeten waren verschwunden, und auch die Kinder, die Mütter und die Alten waren nirgendwo zu sehen. Offenbar waren sie bereits in die Kellerräume des Palastes in Sicherheit gebracht worden. Nur die Toten lagen Schulter an Schulter unter dem Vordach.
Auf dem Marktplatz vor dem Palasttor tobte der Kampf. Auf Pferden galoppierten Sarazenenkrieger durch das Getümmel, demnach hatten inzwischen auch die großen Transportschiffe vor der Stadt angelegt. Rauch verdunkelte den Himmel. Erleichtert erkannte Lis, dass der Rauch nicht von den Scheiterhaufen stammte, die vor dem Priesterturm aufgeschichtet und immer noch unberührt waren, sondern aus dem Häusermeer hinter dem Platz aufstieg. Unverrückbar und dunkel stand Poskurs Turm und trotzte dem Ansturm der Sarazenen. Irgendwo da drin befand sich Levin. Lis war in diesem Moment dankbar, dass ihr Bruder in seiner Zelle geschützt war.
Gerade wollte sie durch das Palasttor stürmen, als die Hufe eines weißen Pferdes vor ihr durch die Luft wirbelten und sie fast zu Boden stießen. Ein Schlag gegen die Schulter ließ sie taumeln, aber sie fand schnell ihr Gleichgewicht wieder und brachte sich mit einem Sprung zur Seite in Sicherheit. Goldstaub flimmerte in der Luft. Das Pferd scheute, und die Krieger, die sich wohl in den Palasthof flüchten wollten, um sich zu verschanzen, prallten gegeneinander. Im nächsten Moment war Lis umzingelt von Novizen. Erschrocken sah sie hoch und blickte direkt in Niams Gesicht.
Eine Brandstrieme verunstaltete seine rechte Wange und leuchtete hellrot inmitten der schwarzen Rußmaske. Niams lichtes Haar stand wirr von seinem Schädel ab, das rote Gewand war zerrissen. Rechts von ihm befand sich Tschur – natürlich Tschur! – und richtete mit einem verzerrten Grinsen den Speer auf Lis. Klar, dachte Lis voller Wut. Du denkst schon an die Zeit nach dem Krieg, was? Tschur, der Held, der die Verräterin erledigt hat. Wie tapfer im Angesicht von mindestens zwölf
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