Die Rückkehr Des Bösen
die gleichen Schlüsse wie wir?“ spekulierte Pakula. „Nur eins verstehe ich dann nicht. Wenn da tatsächlich so ein Durchgeknallter durch die Gegend läuft und Priester absticht – warum sollte der Erzbischof dem nicht unter Aufbietung aller Kräfte das Handwerk legen wollen? Hab ich irgendwas übersehen?“
Pakula schob seine Sonnenbrille hoch, ließ seine zusammengeknüllte Serviette einfach auf den Boden fallen und sah hinüber zum Hot-Dog-Stand. Sollte er sich noch einen gönnen? Immerhin hatte er noch mehr als die Hälfte von seiner extragroßen Cola. Aber dann fielen ihm die Sandwiches mit Frikadellen ein, die Ciaire vorhin eingepackt hatte.
„Angenommen, bei ,Our Lady of Sorrow’ läuft irgend eine Scheiße ab und O’Sullivan steht kurz davor, die gesamte Diözese in den Dreck zu ziehen“, spann der Chief den Gedanken weiter. „Dann käme dem guten Bischof der Mord doch nur recht, vor allem, wenn er als zufälliger Raubmord klassifiziert würde. Fall erledigt, und kein Mensch kommt auf die Idee, tiefer zu bohren. Das Drängeln von O’SuUivans trauernder Schwester, die den Leichnam lieber heute als morgen nach Hause nach Connecticut holen will, erweckt in mir eher den Eindruck, als solle der Monsignore sein Geheimnis möglichst bald mit ins Grab nehmen.“
„Du meinst, O’SuUivans Tod ist für ihn so etwas wie Glück im Unglück?“
„Er kommt ihm jedenfalls nicht ungelegen.“
„Also, was meinst du?“
„Ichhabe die Schnauze gestrichen voll davon, mich von seiner hochheiligen Eminenz weiter zum Affen machen zu lassen. Er meint anscheinend, er könne mich rumkommandieren. Dabei ist er nicht mal Manns genug, mir das ins Gesicht zu sagen. Das überlässt er seinem Büttel, diesem Bruder Sebastian.“ Chief Ramsey hielt inne, als müsse er sich erst einmal beruhigen, und saugte an seinem Strohhalm. „Ich habe da einen Kumpel aus alten Zeiten beim FBI. Kyle Cunningham. Ist eine lange Geschichte, aber er schuldet mir einen Gefallen. Wenn sich der Erzbischof offenbar für allmächtig hält, dann soll er sich doch zur Abwechslung mit den Jungs auseinandersetzen.“
„Du willst tatsächlich die Bundespolizei einschalten?“
„Ich habe schon mit Cunningham gesprochen. Und er hat mir einen seiner besten Profiler zugesagt.“
„Wie sieht es aus mit der Zuständigkeit? Sollte die nicht trotzdem bei uns bleiben?“ Pakula wollte nicht den Eindruck erwecken, als sei er mit Ramseys Entscheidung nicht einverstanden. Allerdings bezweifelte er, dass das FBI sie großartig nach vorne bringen würde. Andererseits ließen sich auf diese Weise sicher auch besser Informationen über die anderen Fälle beschaffen. Trotzdem, wenn es hart auf hart kam, dann würde ohnehin er es sein, der als leitender Ermittler den Kopf hinhalten musste, und nicht irgendein Bundesagent, der glaubte, der Killer zöge sich die Hosen anders an als der Rest der Welt.
„Ich bin der gleichen Ansicht“, antwortete Ramsey nach einer Weile auf Pakulas Frage. „Aber stell dich schon mal darauf ein, dass die Zuständigkeit unser geringstes Problem sein wird, wenn der Zirkus hier erst mal richtig losgeht.“
31. KAPITEL
Washington, D. C.
Er saß vor dem Computer und fühlte sich völlig ausgelaugt. Alles verschwamm vor seinen Augen, und jeder Muskel in seinem Körper schmerzte. Es war jedes Mal dasselbe, so als habe man ihm die Energie vollständig aus dem Leib gesaugt. Dennoch blieb er vor dem Bildschirm sitzen und verfolgte mit leerem Blick, was sich im Chatroom tat. Profanes, hohles Geschwätz, ohne Sinn und Bedeutung. Er beteiligte sich nicht daran. Das tat er nie. Er wartete nur darauf, dass das Spiel endlich begann.
Er hatte das Fenster aufgelassen, ungeachtet des heißen und schwülen Hauchs, der durch die Öffnung quoll und ihm über den Nacken strich. Von unten hallten Geräusche herauf, die Straße war heute weit stärker belebt als normalerweise um diese Uhrzeit. Auch das Knallen und Krachen des Feuerwerks drang von Ferne herein, und hin und wieder flammte in seinem Zimmer sogar ein schwacher Schein auf und tauchte die Wände für einen Moment in ein zartes Grün oder Rosa. Eben war ein Knall wie ein Paukenschlag erschallt, und jetzt folgte im hektischen Stakkato ein Lichtblitz auf den anderen.
Er hasste den 4. Juli, hasste den Unabhängigkeitstag und die Erinnerungen, die er heraufbeschwor. Es waren diese verdammten Erinnerungen, die ihm den ganzen Schlamassel eingebrockt hatten. Jedes Mal wieder. Sie konnten aus
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