Die Rückkehr Des Bösen
vor dem Schreibtisch und trug wie der Monsignore ein schwarzes Polohemd und schwarze Hosen. Wie angewurzelt hatte Gibson in seiner Bewegung innegehalten. Zuerst hatte er gedacht, seine Fantasie spiele ihm einen Streich. Der kalte Schweiß war ihm ausgebrochen, und er hatte schon gemeint, einen Geist zu sehen, als der Mann plötzlich umgedreht hatte. Natürlich war es nicht der Monsignore gewesen, sondern ein hochgewachsener Typ mit Hakennase und puderweißem Gesicht.
„Suchst du etwas?“ Die tiefe Stimme war Gibson irgendwie bekannt vorgekommen.
„Ich ... äh ... ich dachte, Sie wären Monsignore O’Sullivan ...“ Gibson wusste, dass sich das nun echt bescheuert anhören musste, aber es war ihm einfach so herausgerutscht.
„Monsignore O’Sullivan kommt nicht mehr“, hatte der Mann mit der Hakennase erwidert und sich angeschickt, die Tür zu schließen, war dann aber stehen geblieben und hatte Gibson aus seinen kohlschwarzen Augen gemustert. Gibson hatte das Gefühl gehabt, der stechende Blick würde ihn wie eine Messerklinge durchbohren und förmlich am Treppengeländer festnageln. Es war ihm kalt den Rücken heruntergelaufen, blitzschnell war er herumgewirbelt die Treppe hinaufgerannt, bis zum Klassenraum von Schwester Kate.
Der Mann war ihm zwar nicht gefolgt, aber ganz abschütteln konnte Gibson das flaue Gefühl in seinem Magen noch immer nicht.
Bloß nicht mehr daran denken! Er versuchte sich daran zu erinnern, wie wohl er sich sonst immer hier gefühlt hatte, doch es funktionierte nicht. Er musste sich auf etwas anderes konzentrieren, egal, auf was! Also richtete er sein Augenmerk auf die Kids, die sich jetzt um Schwester Kate scharten, drei Mädchen und neun Jungen. Gibson hatte einen Blick auf die Teilnehmerliste riskiert, die auf Schwester Kates Schreibtisch lag, und wusste daher, dass er von seiner Schule als Einziger teilnahm.
Seine Mom war hin und weg gewesen, als wäre das hier so etwas wie eine Auszeichnung. Und sie hatte sich die Sache auch nicht ausreden lassen, als sie erfuhr, dass sie fünfhundert Dollar für die Sommerexkursionen und – ausflüge blechen sollte. Sie hatte bloß mit den Achseln gezuckt und gemeint, die Summe würde sie schon seiner Großmutter aus dem Kreuz leiern. Die drei Wochen würden ihm den ganzen Sommer vermasseln, hatte Gibson genörgelt, doch war ihm schnell klar geworden, dass er von vornherein auf verlorenem Posten stand. Er hatte nämlich das Telefongespräch mitgehört, bei dem seine Mom der Großmutter untergejubelt hatte, was das für eine Ehre sei, dass ihr Enkel an den Veranstaltungen teilnehmen dürfe. Ja, wenn sie nur die tausend Dollar an Gebühren aufbringen könne, dann brauchte der Junge auf diese ehrenvolle Anerkennung nicht zu verzichten. Da lag also der wirkliche Grund, warum sie sich so freute. Es ging gar nicht darum, dass er sich qualifiziert hatte und auch nicht darum, dass er den Sommer über aus dem Haus kam und nicht nur vor seinem Rechner hockte. Nein, seine Mutter hatte vielmehr mal wieder eine Gelegenheit gewittert, seine Oma auszunehmen.
„Was soll denn das hier sein?“ fragte plötzlich ein Knirps mit Sommersprossen und rötlich blondem Haar.
Gibson hatte den Bengel gar nicht bemerkt. Er zeigte auf eins von Gibsons Lieblingsstücken, traute sich offensichtlich aber nicht, das Ding, das aussah wie eine primitive Trinkschale, zu berühren.
„Das ist eine Schädelschale“, belehrte ihn Gibson und nahm das antike Stück behutsam in die Hände. Der Junge kriegte große Augen, als würde Gibson etwas Verbotenes tun. Gibson wusste jedoch, dass Schwester Kate nichts dagegen hatte. Die Gegenstände, die nicht in den Vitrinen verwahrt wurden, konnte man ruhig anfassen und genauer in Augenschein nehmen, vorsichtig natürlich. Er drehte die Schale um, um dem sommersprossigen Jungen zu demonstrieren, wie sie wie ein Deckel genau auf einen menschlichen Schädel passte.
„In Tibet wurden die von Priestern verwendet“, erklärte er. „Bei Zeremonien und so. Die sägten ‘nen Schädel durch und benutzten die obere Hälfte als Trinkgefäß. Das sollte symbolisieren, dass sie den Geist des Toten in sich aufnahmen. So in der Art.“
Der Rotschopf starrte ihn an, als wolle er sich vergewissern, dass Gibson ihn nicht auf den Arm nahm. Und auf einmal stieg in Gibson das Gefühl auf, dass dieser Sommer ja vielleicht doch nicht so übel werden würde.
34. KAPITEL
Reagan National Airport
Washington, D. C.
Gwen Patterson klappte ihr Handy
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