Die Rückkehr des Fremden (German Edition)
leichtes Kribbeln in ihrem ganzen Körper aus. Von ihrer eigenen Reaktion überrascht, zog sie leicht die Hand zurück. „Wir können jetzt zurückfahren, wenn du möchtest.“
Er schaute sie fragend an. „Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?“
Eine tiefe Besorgnis lag in seiner leisen, heiseren Stimme, und Kathryn hätte in diesem Moment viel darum gegeben, wenn sie seine Augen hätte sehen können. „Ja, mir geht es gut, Jacob. Wirklich.“
Hinter sich hörten sie eine Tür aufgehen, und Kathryn drehte sich noch einmal um.
Dr. Hadley erschien. „Oh, gut, Mrs Jennings, Sie sind noch da. Ich wollte Ihnen nur noch eines sagen: Kleine Spaziergänge sind gut und sogar wünschenswert. Aber bitte lassen Sie sich in Zukunft von jemandem begleiten. Es wäre nicht gut, wenn Sie allein wären, wenn sich das, was heute Morgen passierte, wiederholt. Ihr Entbindungstermin rückt ja immer näher.“
„Gewiss, Herr Doktor. Danke.“
Kathryn ließ sich von Jacob in den Wagen helfen und sah, dass seine linke Mundhälfte sich leicht verzog, als er neben ihr einstieg.
„Ich persönlich bin immer sehr gern spazieren gegangen“, sagte er und ließ die Zügel schnalzen.
Kathryn konnte sich bei seinen Worten ein Schmunzeln nicht verkneifen. Wie war das möglich? Je genauer sie den Mann neben sich anschaute, umso besser lernte sie ihn kennen und umso weniger sah sie seine Narben.
Die Erleichterung, die Larson durchflutete, als er erfahren hatte, dass es Kathryns Baby gut ging, war immer noch da. Aber als sie vor einem Moment eine Hand auf seinen Arm gelegt hatte, war gegen seinen Willen ein neuer Hoffnungsfunke in ihm entzündet worden. Eine Hoffnung, dass Kathryn vielleicht eines Tages lernen würde, an seiner Hässlichkeit vorbeizuschauen und den Mann zu erkennen, der er geworden war, den Mann, der sie immer noch liebte und der auch ihr Kind lieben würde, wenn er eine Chance dazu bekäme.
Er fühlte eine immer stärkere Verwandtschaft mit dem winzigen Leben, das in ihrem Bauch heranwuchs. Durch das Lesen in der Bibel hatte er verstanden, dass Gott ihr Baby trotz der Umstände, unter denen es gezeugt worden war, nicht weniger liebte. Er seufzte leise und wünschte, er hätte das in Bezug auf sein eigenes Leben viel früher verstanden.
„Jacob, würde es dir etwas ausmachen, wenn wir noch kurz wohin fahren, bevor wir die Stadt verlassen?“ Kathryns Stimme klang zögernd. „Wenn du noch so viel Zeit hast.“
„Natürlich. Wohin willst du?“ Er war zu allem bereit, wenn er dadurch die gemeinsame Zeit mit ihr verlängern könnte.
Sie zog etwas aus den Seiten der Bibel, die sie neben sich gelegt hatte. „Ich müsste zur Post und zum Kolonialwarenladen und dann … würde ich gern zum Grab meines Mannes gehen.“
Er brauchte eine Minute, um ihre Worte zu verarbeiten. Larson bemerkte erneut das Zögern in ihrer Stimme. „Natürlich … ich würde gern mit dir zu seinem Grab gehen, wenn dir das recht ist.“ Ihr Lächeln war Antwort genug.
Er wartete im Wagen, während sie ins Postamt und dann in den Kolonialwarenladen ging. Er hätte nie gedacht, dass er mit seiner Witwe zu seinem Grab gehen würde, und er war überrascht, dass er das selbst vorgeschlagen hatte.
Kathryn kam einige Minuten später mit einem Strauß frischer Blumen, die in Papier gewickelt waren, aus dem Laden. Larson stieg ab, um ihr zu helfen.
„Kathryn!“
Sie drehten sich beide um. Als er den Mann sah, der auf sie zukam, regte sich eine Mischung aus Eifersucht und Angst in Larsons Magen.
Kathryns Gesicht strahlte auf, als Matthew Taylor sie umarmte. „Matthew, es ist so schön, dich zu sehen. Wie geht es dir?“
Taylors Hände blieben viel zu lang auf ihren Schultern liegen, bevor er sie endlich wieder losließ.
„Wichtiger ist, wie es dir geht.“ Taylors Blick wanderte an ihr hinab. Er schüttelte den Kopf. „Du siehst schön aus, Kathryn.“
Ihre Wangen erröteten. „Danke.“ Dann schaute sie Larson an. „Matthew, ich möchte dir einen guten Freund von mir vorstellen.“
Während sie die beiden einander vorstellte, betrachtete Larson seinen früheren Vorarbeiter. Dinge, die ihm früher an Taylor nicht aufgefallen waren und die er auch jetzt lieber nicht gesehen hätte, stachen ihm ins Auge. Die breitschultrige Haltung des Mannes verbreitete eine unbestreitbare Stärke und großes Selbstvertrauen. Seine dichten Haare waren in seinem Nacken kurz geschnitten, und sein Kinn war sauber rasiert und glatt. Larson konnte sich
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