Die Rückkehr des Fremden (German Edition)
bestimmt Hunger.“
„Oh bitte nicht, Hannah. Das ist nicht nötig.“ Kathryn lachte. Sie liebte das Kind in ihrem Bauch mehr als alles andere auf der Welt, und daran würde nichts je etwas ändern. Wie konnte sie dann erklären, dass sie sich dicker als eine Scheune fühlte und sich nicht im Mindesten attraktiv fand? Als ob es jemanden interessieren würde, ob sie attraktiv aussah! Aber aus irgendeinem Grund war ihr das wichtig. Besonders heute.
Kathryn schaute über die Veranda zu Jacob hinüber. Er lächelte nicht und nickte nicht. Sie hatte keine Ahnung, ob er sie beobachtete oder nicht. Ihre Gedanken kehrten zum Gottesdienst von heute Morgen zurück, und sie fragte sich wieder, warum Larson an jenem Tag einen Brief von Berklyn Stockholders bei sich gehabt hatte. Was für eine Firma war das? Sie vermutete, dass die Firma irgendetwas mit dem Rindermarkt zu tun hatte, da Donlyn MacGregor ebenfalls mit ihnen korrespondierte. Aber MacGregors Brief hatte etwas von Wasserrechten erwähnt. Wenn sie damals nur mehr Zeit in MacGregors Büro gehabt hätte. Jemand in dieser Firma würde sicher mehr wissen. Aber sie wollte Kohlman nicht fragen. Je weniger sie mit diesem Mann zu tun hatte, umso besser.
„Kathryn?“
Als sie aufblickte, sah sie Jacob neben ihrem Stuhl stehen.
„Es wird Zeit zurückzufahren. Bist du so weit?“
Für einen Moment wünschte sie, Jacob würde ihr die Hand hinhalten und ihr auf die Beine helfen. Aber er hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt, sodass man sie nicht sehen konnte. Genauso wie er seine Augen und seine Gefühle versteckt hatte. Und so vieles andere.
„Ja, ich bin so weit“, antwortete sie und sah ihr schwaches Spiegelbild in Jacobs Brillengläsern, obwohl sie viel lieber seine Augen gesehen hätte.
Auf halbem Weg nach Casaroja wehte ein warmer Wind vom Norden her über die Ebene und brachte den süßen Duft nach Regen mit sich. Graue Wolken zogen sich im Nordwesten zusammen und bauten sich über den steilen Felsformationen hoch auf. Die Farmer und Rancher wären für den Regen dankbar, aber Kathryn hoffte, sie und Jacob schafften es zurück nach Casaroja, bevor das Gewitter losbrach. Obwohl der Regen sie nicht störte, wollte sie nicht mitten auf der Prärie von einem Gewitter überrascht werden.
Sie schloss die Augen, und eine ferne Erinnerung an ein anderes Sommergewitter jagte ein Kribbeln über ihre Haut. Sie konnte immer noch das Donnerkrachen über sich hören. Ohne Vorwarnung war an jenem Nachmittag ein stürmischer Regen aufgezogen, während sie und Larson sich auf dem Rückweg von Denver befanden, und Larson hatte in einer Schlucht Schutz gesucht, in der er vorher schon einmal übernachtet hatte. Er hatte sich vergewissert, dass sie unter einem Überhang in Sicherheit war, bevor er zu den Pferden zurückgegangen war. Als er im peitschenden Wind und Regen verschwand, fürchtete sie schon, er würde nicht zu ihr zurückfinden. Wie sollte er das können? Sie konnte kaum einen Meter weit sehen. Als er zurückkam, fragte sie ihn, wie er das gemacht hatte. Larson hatte die Achseln gezuckt, als hätte er sich darüber nie Gedanken gemacht. „Ich kenne den Weg einfach … hier drinnen“, hatte er hinzugefügt und leicht auf seine Brust getippt. Obwohl sie ihn am liebsten geschlagen hätte, weil er ihre Angst so beiläufig abtat, hatte sie lieber in seinen Armen Schutz und Geborgenheit gesucht.
Kathryn traten Tränen in die Augen, und ihre Brust zog sich schmerzlich zusammen. Ihre Haut kribbelte wieder, aber dieses Mal vor Sehnsucht nach Larsons Berührung. Vor Sehnsucht, ihm wieder in die Augen zu schauen und das Feuer zu sehen, das darin für sie brannte.
„Geht es dir gut?“, fragte Jacob leise neben ihr.
Sie drehte den Kopf und sah, dass er sie beobachtete. Sie wusste nicht, ob er ihre Tränen bemerkte, aber als sie nickte, blickte er zurück auf die Straße und Kathryn fühlte sich plötzlich sehr einsam. Sie erinnerte sich an die vielen Male in der Vergangenheit, als sie sich gewünscht hatte, Larson würde sie in einem solchen Moment festhalten oder berühren. Wenn sie ihn darum gebeten hätte, hätte er es zweifellos getan. Es war dumm, das wusste sie, aber irgendwie war es nicht das Gleiche, wenn sie ihn darum bitten musste. Und sie würde Jacob bestimmt nicht bitten, so etwas zu tun. Es wäre nicht anständig, und es wäre auch nicht …
Jacobs Hand legte sich auf ihre Hand, die auf der Bank zwischen ihnen lag.
Kathryn schloss die Augen, und ihr
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