Die Rückkehr des Fremden (German Edition)
jedoch außerhalb seiner Reichweite. Er schloss die Augen. Bruchstücke zusammenhangsloser Bilder tauchten in seinem Inneren auf. Schemenhaft wehten sie auf ihn zu und verflüchtigten sich dann genauso schnell wieder wie die Federn einer Daunendecke, die im Wind zerstreut wurden.
Er beugte die Finger seiner rechten Hand. Ein stechender Schmerz schoss seinen Arm hinauf und an seinem Bein hinab. Er rang keuchend nach Luft. Aber mit dem Schmerz kam auch die Klarheit.
Bittere Kälte. Seine Beine und Füße wurden taub. Seine eiskalten Hände schmerzten.
Dunkelheit. Die Suche nach einem Versteck. Eine Stimme … teuflisch und höhnisch.
Ein grelles Licht, so hell, wie er es nie für möglich gehalten hätte.
Angst kroch glühendheiß seine Kehle hinunter, und er drückte den Kopf in sein Kissen hinein. Die Erinnerungen an jene Nacht stürzten über ihm zusammen. Der Fremde an seinem Lagerfeuer, der Schuss auf die Brust des Mannes, aber nicht aus Larsons Gewehr. Dann seine panische Flucht, bäuchlings durch die eisige Nacht auf der Suche nach einem Versteck.
Kalter Angstschweiß bildete sich über seinen Schläfen und rann seinen Hals hinunter. Oh Gott, warst du in jener Nacht da? Bist du jetzt hier?
Dann kam ein Bild in ihm hoch, das so wundervoll, so atemberaubend schön war, dass sich sein Brustkorb sehnsüchtig zusammenzog.
Kathryn .
Er versuchte, ihren Namen zu rufen, aber der Ton blieb in seiner Kehle stecken. Wie ging es ihr? War sie in Sicherheit? Wusste Kat, wo er sich befand und dass er verletzt war? Oder hielt sie ihn bereits für tot? Tränen traten Larson in die Augen, aber sonderbarerweise fühlte sich dieses Gefühl nicht fremd an. Was war mit der Ranch? Er konnte nicht zulassen, dass alles, wofür er gearbeitet hatte, ihm aus den Händen gerissen wurde – besonders, da der Erfolg dieses Mal zum Greifen nahe war.
Sein Verstand arbeitete auf Hochtouren. Es war wichtig, dass er in diesem Frühling Vieh verkaufte. Die gestiegene Nachfrage nach Fleisch für die Arbeiter in den Bergwerkslagern würde ihm genug Geld einbringen, um das Darlehen, das sie auf das Land aufgenommen hatten, zum größten Teil zurückzuzahlen. Und es würde auch das zweite Darlehen abdecken, das er im letzten Herbst aufgenommen hatte. Von diesem Darlehen wusste Kathryn nichts. Er hatte sie nicht beunruhigen wollen. Er hatte ein wenig mehr Geld gebraucht, um die Wintermonate zu überstehen, und hatte auch noch ihr Heim mit einer Hypothek belastet. Aber die jahrelange schwere Arbeit würde sich bald auszahlen.
Dieser Gedanke trieb ihn an. Er versuchte, den Kopf zu heben, aber schon diese einfache Bewegung überstieg seine Kräfte. Er fühlte sich, als wäre ein vierzig Pfund schweres Gewicht um seine Schläfen gewickelt. Er ließ den Kopf auf das Kissen zurückfallen und merkte, wie sich alles um ihn herum drehte. Seine Nackenmuskeln fühlten sich wie verknotet an. Er hätte sich gern seinen verspannten Nacken massiert, aber seine Arme wollten ihm nicht gehorchen.
Da hörte er ein Geräusch.
Er wurde völlig still und strengte seine Ohren an. Hatte er sich das nur eingebildet?
Verzweiflung beschlich ihn und raubte ihm die Hoffnung. Bruchstücke seines Lebens – Entscheidungen, die er getroffen hatte, Ziele, für die er einen viel zu hohen Preis bezahlt und die er doch nicht erreicht hatte – flackerten wie schwache Lichter in der dunklen Höhle seines Herzens.
Aber er war nicht der Einzige, für den der Preis zu hoch gewesen war. Kathryn hatte so viel für seine Träume geopfert. Sie hatte ein Leben in Wohlstand und Sicherheit aufgegeben. Sie hatte Bostons Reichtum, das Zuhause ihrer Eltern und eine privilegierte Erziehung zurückgelassen. Ganz zu schweigen von ihren unzähligen Verehrern der gehobenen Gesellschaft, die ihr jeden Herzenswunsch erfüllt hätten. So wie er das auch gern tun würde.
Kathryn hatte das alles aufgegeben. Für ihn. Und was hatte er ihr dafür gegeben? Eine schlichte Blockhütte und eine kinderlose Ehe.
Das Knarren einer Bodendiele schreckte Larson aus seinen Gedanken auf. Er hob den Kopf, doch sein Nacken verkrampfte sich so schmerzhaft, dass sich Dunkelheit über ihn legte . Dann nahm er einen gelben Lichtschein wahr, der unter einer Tür nur wenige Meter von ihm entfernt durchschimmerte. Hinter dieser Tür hörte er Schritte.
Er schaffte es, ein Stöhnen über seine aufgesprungenen Lippen zu bringen, da er hoffte, dass ihn jemand hören würde.
Als er hörte, wie die Tür zu seinem Zimmer
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