Die Rückkehr des Fremden (German Edition)
vielleicht etwas Unpassendes sagen würde. Aber seine Miene verriet bestimmt, wie geschockt er war.
Als könnten sie seine Gedanken lesen, lächelten sie ihm zu und sahen sich dann gegenseitig mit einem Lächeln an.
„Ich heiße Isaiah“, sagte der Mann leise, und seine Stimme klang wie frisches Quellwasser, das über glatte Felsen sprudelt. Er senkte die Lampe und stellte sie auf den Tisch neben dem Bett. Dann legte er Larson eine Hand auf die Schulter. „Abby und ich begrüßen dich in unserem Haus.“
Isaiah legte die Laken, mit denen Larson zugedeckt war, wieder richtig hin, dann schob er einen Arm unter seine Schultern. Isaiahs Berührung strahlte Sicherheit aus, und Larson zehrte von seiner Stärke. Abby stopfte ein großes Kissen hinter seinen Rücken. Der Raum drehte sich, als Larson sich aufsetzte. Er schloss die Augen und versuchte sich an die ungewohnte Haltung zu gewöhnen.
Als ob sie sein Unbehagen spüren würde, legte Abby eine kühle Hand auf seine Stirn. Diese Berührung tat ihm überraschend gut. Als die Welt aufhörte, sich zu drehen, schlug Larson wieder die Augen auf.
Er befand sich in einem Bett unter einer Konstruktion, wie er sie noch nie gesehen hatte. Seine Arme und Beine waren in Laken gehüllt und hingen mit Seilen über der Matratze. Seine Augen wanderten zu dem notdürftigen Flaschenzugsystem an der Decke hinauf und dann wieder nach unten.
Ein Grauen breitete sich wellenartig in seiner Brust aus. Er strengte sich an, um mit seiner rechten Hand eine Ecke des Lakens zu fassen. Er wagte einen Blick darunter.
Ein erstickter Schrei stieg in seiner Brust auf. Sein Magen zog sich vor Übelkeit zusammen.
Das vernarbte, schwielige Fleisch auf seinen Beinen, Armen und seiner Brust verschwamm vor seinen Augen, während die Realität all seine Hoffnungen zunichte machte. Der Körper auf dem Bett ähnelte in keinster Weise dem Körper, den er in Erinnerung hatte. Einzelne Bereiche an seinen Beinen und Armen waren anscheinend unbeschädigt geblieben, aber der Großteil seiner Haut wies die deutlichen Spuren der Flammen auf. Sein Bauch, der früher schlank und muskulös gewesen war, sah aus, als hätten feurige Klauen ihn erfasst und geschüttelt.
Ein tiefer Schmerz breitete sich in seiner Kehle aus, und er ließ das Laken fallen. Die Luft entwich aus seiner Lunge.
Isaiah legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm. „Ich weiß, was du denkst … dass du nie wieder gehen kannst. Dass du nie wieder das tun kannst, was du früher getan hast. Aber das ist eine Lüge.“
Larson wandte sein Gesicht ab, doch Isaiah zog es sanft zu sich herüber und blickte ihm eindringlich in die Augen.
„Hör nicht auf diese Stimme. Es ist wichtig, daran zu glauben, dass du geheilt werden wirst. Abby und ich haben vor langer Zeit gelernt, dass zu einer erfolgreichen Heilung auch gehört, dass wir dem allmächtigen Gott unsere Gedanken übergeben …“ Isaiah tippte an seine breite Stirn und legte dann die Hand über sein Herz. „… und auch unseren Körper und unser Herz. Wir müssen Gott das Kommando überlassen.“
Trotz der Ermutigung Isaiahs und trotz des Mitgefühls in Abbys Blick schnürte sich Larsons Brust vor Panik zusammen. Isaiah nickte Abby zu, und sie verließ das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Dann hob Isaiah langsam die Laken hoch.
Kühle Luft strich über Larsons Arme und Beine. Es kostete ihn seinen ganzen Mut, an sich herab nach unten zu schauen.
Als er die abscheulichen Narben sah, zog sich sein Magen erneut zusammen.
„Wie ich schon sagte“, fuhr Isaiah fort und legte eine Hand auf Larsons Hand. „Du hast jetzt das Schlimmste hinter dir. Aber du hast immer noch einen mühsamen Weg vor dir. Ich habe in den Bergwerkslagern Männer gesehen, die Opfer von Explosionen wurden und so schwer verbrannt waren, dass man meinte, sie würden die Nacht nicht überleben.“ Isaiah lächelte und sah dabei wie ein junger Mann aus. „Aber der große Arzt erhörte ihre Gebete und sie leben. Ich habe schon früher Männern geholfen, wieder zu Kräften zu kommen. Und ich kann auch dir helfen.“
In die dunklen Augen Isaiahs trat eine große Dringlichkeit. „Du hast eine Kampfbereitschaft in dir, die nur wenige Menschen besitzen. Das habe ich gleich bemerkt, als du hier warst, und in den Wochen, in denen du gegen die Infektion gekämpft hast. Du hast etwas, für das es sich zu kämpfen lohnt. Ich weiß nicht, was es ist. Oder wer …“ Er brach ab. Ein Leuchten trat in seine Augen.
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