Die Rückkehr des Fremden (German Edition)
„Aber ich vermute, sie heißt Kathryn.“
Isaiahs Worte bewegten Larson. Aber etwas, das er gesagt hatte, machte ihn hellwach. „In den Wochen, in denen du gegen die Infektion gekämpft hast.“
Er hob unter großer Kraftanstrengung die Hand und ergriff Isaiahs Hemd. Larson bewegte die Lippen, aber kein Ton kam heraus. Er versuchte es noch einmal. Die Worte kamen kratzend über seine empfindlichen Stimmbänder. „Wie … lang?“, keuchte er.
Isaiah gab einen Moment keine Antwort, er schien zu überlegen. Dann nickte er. „Du bist seit über zwei Monaten bei uns. Heute ist der zweite März.“
Larson ließ kraftlos die Hand sinken. Wie konnte so viel Zeit vergangen sein? Harold Kohlman von der Willow Springs Bank. Die fällige Kreditrückzahlungsrate. Was musste Kathryn nach so langer Zeit denken?
Isaiah legte die Hand auf Larsons Kopf.
Seine Miene verriet, dass er ihn verstand. Larsons Brustkorb zog sich schmerzhaft zusammen.
Er hatte gedacht, Gott hätte sein Leben aus einem bestimmten Grund verschont. Dabei war es nur ein grausamer, furchtbarer Scherz. Wie sollte er so weiterleben? Wie sollte er so für Kathryn sorgen? Ihr ein Ehemann sein? Er malte sich aus, wie sie auf ihn reagieren würde, und ihm wurde übel.
Er wandte sich von Isaiah ab. Er schämte sich seiner Tränen, er schämte sich wegen dem, was aus ihm geworden war. Warum hatte Gott ihn in jener Nacht nicht einfach sterben lassen? Warum?
Einige Zeit später erschien Abby neben seinem Bett. Sie hielt eine dampfende Tasse in den Händen. „Der Tee gibt dir Kraft und hilft dir, deine Stimme wiederzufinden.“
Freundlichkeit schwang in ihrer Stimme mit, aber Larson spürte, dass diese Frau einen eisernen Willen besaß. Ihm fehlte die Kraft, den Tee abzulehnen. Er trank, als sie die Tasse an seine Lippen hielt.
Die warme Flüssigkeit brannte, und er verschluckte sich anfangs. Aber nach ein paar Schlucken entspannten sich die Muskeln in seinem Hals und das bittere Gebräu lief in seinen Magen hinab. Abbys Bewegungen waren schnell und sicher und standen im Gegensatz zu den weichen Linien des Alters, die sich um ihre Augen- und Mundwinkel herum zeigten, wenn sie lächelte.
Larson stellte fest, dass er unter ihren wachsamen Augen unsicher wurde. Er wandte den Blick ab. Dann begriff er, dass Abby in den Wochen, in denen sie ihn gepflegt hatte, zweifellos seine Narben und noch viel mehr gesehen hatte. Genauso wie Isaiah. Diese Erkenntnis trug nicht gerade dazu bei, sein Unbehagen zu vertreiben.
Seine Augen wurden schwer, und er vermutete, dass die Zutaten in Abbys Tee eine beruhigende Wirkung hatten.
Als Larson aufwachte, sah er, dass Isaiah etwas aus einem Schrank an der gegenüberliegenden Wand holte. Isaiah summte vor sich hin und nahm mehrere Behälter aus den Fächern. Er maß verschiedene Zutaten genau ab und stellte die Behälter wieder in den Schrank zurück, nachdem er die Mischung in einem Mörser klein zerstoßen hatte. Er leerte den Inhalt aus dem Mörser in eine Holzschüssel und zog eine Flasche aus dem obersten Regal. Dann goss er eine dunkle Flüssigkeit über alles und begann, das Gemisch zu verrühren.
Larson beobachtete ihn und wollte ihm sagen, dass er sich die Mühe sparen könne, falls das Gemisch für ihn bestimmt sei. Was konnte es jetzt noch ändern? Trotz seiner Hoffnungslosigkeit dachte er daran, wie freundlich Isaiah und Abby zu ihm gewesen waren und was sie alles für ihn taten. Was veranlasste Menschen, so großzügig zu sein? Er war für sie ein Fremder, aber sie hatten ihn bei sich aufgenommen und pflegten ihn, sie versorgten seine Wunden und fütterten ihn. Er schaute auf seinen verkümmerten Körper hinab. Sie hatten ihn am Leben erhalten. Larson vermutete, dass nicht einmal Kathryns gutes Essen wieder Fleisch auf seine Rippen bringen konnte.
Kathryn …
Isaiah drehte sich um und sah ihn an. Larson kam es so vor, als hätte der Mann jeden seiner Gedanken gehört.
„Guten Morgen.“ Isaiah nahm die Schüssel und setzte sich damit auf den Stuhl, der neben dem Bett stand. Als er den Inhalt vermischte, erfüllte ein beißender Geruch die Luft. „Du hast zwei Tage geschlafen.“ Er zwinkerte. „Ich habe vergessen, dich vor Abbys Tee zu warnen.“
Obwohl er nicht wollte, musste Larson lächeln. Etwas an Isaiah – und auch an Abby – überwand seine Abwehrhaltung und weckte in ihm eine unerwartete Hoffnung.
Isaiah zog eine Braue in die Höhe. „Das ist doch schon etwas.“
Larson schluckte und warf
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