Die Rückkehr des Fremden (German Edition)
beschütze uns beide.
Sie schob den Riegel von der Tür zurück und öffnete sie einen Spaltbreit. „Ja, was kann ich für Sie tun?“
„Guten Morgen, Mrs Jennings.“ Der Mann nahm seinen Hut ab. Darunter kam ein Gesicht zum Vorschein, das jugendlicher und entschieden freundlicher aussah, als Kathryn erwartet hatte. „Ich bin gekommen, um Sie zu fragen, ob Sie einen Job für mich haben.“ Er sprach, als hätte er sich seine Worte vorher sorgfältig zurechtgelegt.
Ihre Ängste ließen deutlich nach. Trotz seiner Größe lag in den tiefblauen Augen des Mannes etwas, das sie veranlasste, ihm zu vertrauen. Sie versuchte immer noch zu entscheiden, was das genau war, und nickte. „Sie müssen das mit Mr Taylor besprechen. Er ist dafür verantwortlich, Leute einzustellen, aber ich bin sicher, dass wir Arbeit für Sie haben.“
Die übrigen Rancharbeiter waren vor einer Woche gegangen. Offenbar teilten sie Harley Dunhams Meinung, dass es nicht gut sei, für eine Frau zu arbeiten. Matthew hatte die Nachricht verbreiten lassen, dass sie Leute einstellten, aber bis jetzt gab es kaum Bewerber. Sie war sicher, dass Matthew diesen Mann nicht wegschicken würde.
Er senkte respektvoll den Kopf. „Was soll ich zuerst tun? Ich kann sofort anfangen.“ Er betonte jede Silbe und seine Augen funkelten.
Als sie seinen Eifer sah, begriff Kathryn, was ihr Vertrauen ausgelöst hatte. Dieser Mann besaß eine Unschuld, die seiner eindrucksvollen Statur völlig widersprach. Sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Es war, als beobachte man einen kleinen Jungen an Weihnachten. „Wenn Sie es so eilig haben anzufangen, wartet im Stall genug Arbeit. Die Tiere müssen gefüttert werden und …“
„Oh, ich weiß, was in einem Stall zu tun ist, Madam.“ Er grinste und setzte seinen Hut wieder auf. „Ich war schon einmal in einem Stall.“
Kathryn starrte über den Schreibtisch Harold Kohlman an und hatte Mühe, die Beherrschung nicht zu verlieren. „Aber ich habe es so verstanden, dass ich Ihnen die Summe schulde, die ich geliehen habe, als ich das letzte Mal hier war. Ich bringe Ihnen heute, am zweiten April, die volle Summe, wie wir vereinbart haben. Hier, ich habe den Vertrag bei mir, den wir gemeinsam unterzeichnet haben.“
Kohlman warf einen Blick auf die Papiere in ihrer Hand, machte aber keine Anstalten, sie zu nehmen. „Ich weiß sehr genau, was ich unterschrieben habe, Mrs Jennings. Die Bank hat ein eigenes Exemplar des Vertrags. Aber Ihnen ist offenbar nicht bewusst, dass Ihr Mann vorher schon einen Kredit auf Ihren Hof aufgenommen hatte.“ Er kniff leicht die Augen zusammen. „Diese Zahlung war vor zwei Wochen fällig. Am sechzehnten März. Der Kredit ist jetzt säumig.“
Matthew Taylor, der bis jetzt geschwiegen hatte, beugte sich auf seinem Stuhl vor. „Mr Kohlman, ich bin zur Unterstützung von Mrs Jennings hier. Von Larson Jennings fehlt seit über drei Monaten jede Spur. Wir wissen nicht, wo er ist … oder ob er zurückkommen wird.“
Matthew senkte den Blick, und Kathryn sah, dass er das Gesicht verzog. Sie wusste, dass er nur ungern in ihrem Beisein so direkt sprach, aber sie war ihm dankbar, dass er ihr angeboten hatte, sie zu begleiten.
„Wir haben Grund zu der Vermutung, dass er an Weihnachten in den Sturm geriet“, sprach er weiter. „Tatsache ist, dass er vielleicht nicht mehr nach Hause kommen wird. Wir wissen es einfach nicht.“
Kohlman schaute sie ohne das geringste Mitgefühl an. „Unabhängig davon, ob Ihr Mann noch lebt oder nicht, Mrs Jennings, ist der Kredit jetzt säumig. Die Bank hat Ihnen und Ihrem Mann dieses Geld im guten Glauben geliehen. Wenn Sie den Kredit nicht zurückzahlen können, sind wir gezwungen, Maßnahmen zu ergreifen.“
„Was meinen Sie mit ‚Maßnahmen ergreifen‘, Mr Kohlman?“, fragte Mr Taylor.
„Eine Zwangsversteigerung natürlich.“
Kathryn wäre beinahe aufgesprungen. „Sie haben kein Recht …“
„Ich habe jedes Recht, Mrs Jennings.“ Eine dunkle Röte zog über die dicken Falten an Kohlmans Hals bis hinauf in sein Gesicht. „Ihr Mann hat mit mir einen Vertrag unterzeichnet und es spielt für mich keine Rolle, ob Sie davon wussten oder nicht.“
„Aber Sie hätten mich über diesen Kredit informieren müssen, als ich das letzte Mal hier war. Sie hätten mir diese Information nicht vorenthalten dürfen.“
„Mrs Jennings, ich betrachte es nicht als meine Aufgabe, geschäftliche Details zwischen einem Mann und seiner Frau zu
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