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Die Rückkehr des Fremden (German Edition)

Die Rückkehr des Fremden (German Edition)

Titel: Die Rückkehr des Fremden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Alexander
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seinen Körper, und Larson stützte seine Hände auf die Seite des Bettes. Es gelang ihm aufzustehen, aber er fühlte, wie seine Beine unter dem ungewohnten Gewicht nachgaben.
    Isaiah hob ihn auf die Arme, und Larson biss vor Beschämung die Zähne fest zusammen. Das Ausmaß seiner Verletzungen wurde ihm wieder schmerzlich bewusst, und der Ärger über seine Abhängigkeit nährte sein Selbstmitleid. Zweifellos spürte Isaiah sein Unbehagen, aber er sagte nichts. Larson wandte bewusst das Gesicht ab, während seine Achtung vor Isaiah wuchs.
    Isaiah trug ihn aus dem Schlafzimmer direkt in einen anderen Raum der Hütte, der allem Anschein nach der einzige verbliebene Raum war, den es hier gab. Kaffeeduft erfüllte die warme Luft. Larson nutzte die Chance, um seine Umgebung zu betrachten.
    Spärlich war das erste Wort, das ihm in den Sinn kam. Nur wenige Möbel füllten die kleine Fläche. Ein orangegelbes Feuer glühte im Kamin und strahlte Wärme aus. Im Schatten vor dem Kamin machte er eine kleine Gestalt aus, die auf einer Seite einer Matratze zusammengerollt lag.
    Ein Kloß bildete sich in seiner Kehle.
    Dieses Ehepaar hatte so viel für ihn gegeben. Aber warum? Seit er aufgewacht war, hatte er an nicht viel anderes als an seine eigene Situation gedacht. In diesem Moment schämte er sich für seinen Egoismus.
    Isaiah schob den Riegel der Hüttentür zurück. Kalte Luft schlug ihnen entgegen.
    Überraschenderweise fühlte sie sich gut auf Larsons Haut an. Mit einem schnellen Blick begriff er, dass dies kein zufälliges Beisammensein war. Ein gepolsterter Stuhl stand auf der kleinen Veranda bereit, und daneben waren Decken auf dem Boden gestapelt. Zwei Tassen, die vermutlich mit Kaffee gefüllt waren, standen auf dem Verandageländer, das an einer Stelle vom Schnee befreit worden war. Der heiße Kaffeedampf stieg spiralförmig vor den ersten schwachen rötlichen Farben am östlichen Horizont auf.
    Isaiah setzte ihn auf den Stuhl und deckte ihn zu.
    „Du konntest nicht schlafen, was?“ Ein entschuldigendes Lächeln spielte um Larsons Mundwinkel, und er wünschte, er fände die richtigen Worte, um seine Dankbarkeit und seine Reue auszudrücken.
    Isaiah reichte ihm eine der Tassen, und ihre Blicke begegneten sich.
    In diesem Moment erkannte Larson, dass Isaiah durch und durch ein ehrenvoller, gütiger und freundlicher Mann war. Als würde ihm ein Spiegel vorgehalten, sah Larson dagegen plötzlich sich selbst und senkte den Blick.
    Isaiah lehnte sich ans Verandageländer und schaute zu den Baumwipfeln hinauf. Einige Sekunden verstrichen. Dichte Gruppen von Espen und Birken übersäten die kleine Lichtung um die Hütte herum. Das leichte Rascheln des erwachenden Lebens regte sich in den steif gefrorenen Sträuchern. Larson schaute über seine Schulter in Richtung Westen und schätzte anhand der Berggipfel, dass er sich gut fünfzehn bis zwanzig Meilen nordwestlich von der Stelle befand, an der er in jener Nacht in der Schlucht sein Lager aufgeschlagen hatte.
    Isaiah drehte sich um und blickte ihn an. „Wie sind Abbys Hähnchen und Knödel deinem Magen bekommen?“
    „Sehr gut. Es tut so gut, wieder feste Nahrung zu sich zu nehmen. Deine Abby ist eine großartige Köchin.“ Er atmete tief ein. „Hör zu, Isaiah … es tut mir leid, was ich neulich gesagt habe. Ich kenne deine Gründe nicht, aber … ich weiß, dass sie wichtig sein müssen.“ Larson kostete es viel Mühe, seine nächsten Worte über die Lippen zu bringen. „Ich werde dich also nicht mehr darum bitten.“
    Isaiah nickte, drehte wieder den Kopf und konzentrierte seinen Blick auf eine Stelle am Horizont.
    Larsons Blick wanderte zu einer Wolkenansammlung im Osten. Die Wolken hingen tief am Himmel wie rosa und rötlich gefärbte Wattestückchen auf einer grauen Decke.
    Larson trank einen Schluck Kaffee und genoss die Wärme in seiner Kehle. „Was ist passiert, nachdem der Arzt dich beim Pokern gewonnen hatte? Nachdem du deine Freiheit bekommen hast?“
    Eine Weile sah Isaiah nur die Tasse in seiner Hand an. „Zuerst gab mir Doc Lewis Arbeit. Ich putzte und fegte seine Patientenräume. Er war der erste Weiße, der mich wie einen Menschen ansah … der mich wie einen Menschen behandelte. Mit der Zeit zeigte er mir, wo ich die Zutaten für seine Salben und Medikamente sammeln sollte, von welchen Pflanzen sie stammten, und wo sie wuchsen. Das war mir nicht fremd, da meine Großmutter eine Heilerin war – sie hat mich sehr viel über Heilpflanzen gelehrt.

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