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Die Rückkehr des Fremden (German Edition)

Die Rückkehr des Fremden (German Edition)

Titel: Die Rückkehr des Fremden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Alexander
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hatte, überhaupt noch lieben?
    Als er eine Weile später nach oben sah, konnte er die schwachen Umrisse des weißen Kirchturms vor dem dunklen Präriehimmel erkennen. Er ging an der Kirche vorbei zum Friedhof. Als er auf das Grab hinabschaute, auf sein Grab, fühlte er sich innerlich so leer wie nie zuvor. Er hatte vor zwei Wochen sein Pferd verkauft, da er das wenige Geld, das er dafür bekommen hatte, zum Überleben brauchte. Er hatte kein Pferd. Kein Zuhause. Keine Familie. Nichts. Er könnte genauso gut in dieser Holzkiste liegen, die unter seinen Füßen begraben war.
    Er bückte sich und ließ die Erde durch seine Finger rieseln. Wer lag wirklich in diesem Sarg?
    Einige Augenblicke vergingen. Schließlich stand er auf, wischte sich die Erde von den Händen und starrte dann zum sternenklaren Himmel hinauf. „Was soll ich jetzt tun, Herr?“, flüsterte er und wartete.
    Der Himmel blieb stumm, aber Larson konnte nicht schweigen. Nicht mehr.
    Morgen würde er Kathryn zur Rede stellen und herausfinden, warum sie ihn betrogen hatte.

Kapitel 15
    N och bevor der erste Hauch des Morgenlichts die Schatten der Nacht vertrieb, betete Larson und legte Gott alle seine ängstlichen, quälenden Gedanken und seine Unsicherheit hin.
    Als die Sonne aufging und vielfarbige Strahlen in den Heuboden warf, spürte Larson einen tiefen Frieden in sich, wenn er auch noch immer keine Antworten hatte. Larson verglich seine Erfahrung mit der Nacht, in der Jacob am Fluss Jabbok mit dem Engel des Herrn gerungen hatte. Für den Rest seines Lebens hatte Jacob eine sichtbare körperliche Erinnerung an diesen Kampf gehabt, so wurde es im Alten Testament berichtet. Larson stand auf und streckte sich. Genauso wie Jacob bat er den Herrn, ihn zu segnen. Dann lächelte er und massierte die schmerzenden Muskeln in seinem rechten Bein. Gott hatte bereits dafür gesorgt, dass er humpelte.
    Er dachte an Kathryn und betete wieder dafür, dass Gott ihm den richtigen Zeitpunkt zeigen solle, da er immer noch keine klare Bestätigung dafür bekommen hatte, sie anzusprechen. Aber er war es müde, zu warten. Isaiah sagte immer, Gottes Zeitplan sei perfekt. Larson hoffte nur, dass er sich an Gottes Zeitplan halten würde.

    Kathryn warf Annabelle ein schmales Lächeln zu, als sie kurz vor Mittag die Hintertür zur Herrenschneiderei zuschloss. Sie war völlig aufgewühlt. „Danke, dass du gekommen bist und mir hilfst. Jetzt habe ich das Gefühl, ein bisschen besser vorbereitet zu sein.“
    Annabelle winkte ab, wie um zu sagen, dass das doch keine große Sache sei. „Du schaffst das. Du hast jede Frage perfekt beantwortet.“ Ihre Miene wurde sehr ernst, und sie wandte den Blick ab, bevor sie wieder sprach. „Ich bin wirklich stolz auf dich, Kathryn. Darauf, wie du mit deinem Leben fertig wirst, seit dein Mann tot aufgefunden wurde. Ich weiß, dass es für dich nicht leicht ist …“
    Für eine Frau, deren Leben vorher so leicht war, waren die nicht ausgesprochenen Worte, die Kathryn im Geiste hörte. Obwohl Annabelle diese Worte nicht sagte und sie wahrscheinlich nicht einmal dachte, hatte sie ein Recht darauf. Kathryn hatte viel darüber nachgedacht, wie leicht ihr Leben früher gewesen war, und wie leicht es selbst heute im Vergleich zu Annabelles Leben doch war. Sie wünschte, sie könnte die Situation für Annabelle ändern und ihr helfen, aus dem Leben, in dem sie anscheinend gefangen war, herauszukommen. Kathryn hatte dieses Thema noch nicht angesprochen, aber sie hoffte, das Treffen an diesem Vormittag würde ihr eine Möglichkeit dazu bieten.
    Sie verabschiedeten sich. Kathryn strich ihre Haare und ihr schwarzes Kleid glatt und war Annabelle dankbar, dass sie mit ihr das Vorstellungsgespräch eingeübt hatte. Kathryn hatte in der Zeitung gesucht und jetzt ein Stellenangebot gefunden, das vielversprechend klang. Als sie eine Antwort auf ihre Bewerbung für eine mögliche neue Stelle bekommen hatte, war neue Hoffnung in ihr aufgekeimt. Sie wollte nicht zu spät kommen zu dem Gespräch mit Miss …
    Kathryn zog den Brief, den sie gestern bekommen hatte, aus der Tasche. Mit Miss Maudelaine. Wenn sie heute Morgen einen guten Eindruck machte, könnte diese Stelle vielleicht die Erhörung ihrer Gebete sein.
    Eine viel bessere Bezahlung. Freie Kost und Logis. Sie müsste nicht mehr von morgens bis spät abends zwei Arbeitsstellen ausfüllen. Und was am wichtigsten war: Sie hätte eine bessere Umgebung, in der sie ihren Sohn oder ihre Tochter aufziehen

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