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Die Rückkehr des Fremden (German Edition)

Die Rückkehr des Fremden (German Edition)

Titel: Die Rückkehr des Fremden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Alexander
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könnte. Leichte Schuldgefühle quälten ihr Gewissen. Sie hatte in ihrem Brief nicht erwähnt, dass sie schwanger war, aber sie hoffte, das würde Miss Maudelaines Entscheidung nicht negativ beeinflussen. Herr, öffne mir bitte eine Tür. Als sie über die Möglichkeiten nachdachte, die diese Arbeit für ihr Leben und für das Leben ihres Kindes bedeutete, nahm Kathryns Nervosität ab. Voll Vorfreude beschleunigte sie ihre Schritte.
    Sie überquerte die Hauptstraße, auf der viel Betrieb herrschte, und griff in ihre Tasche, um die kleine Spieluhr zu berühren, eine allgegenwärtige Erinnerung an Larson, die sie immer bei sich trug. Nach ihrem Gespräch heute Vormittag würde sie zum Friedhof gehen. Seit ihrem letzten Besuch dort war mindestens eine Woche vergangen, und das war spät am Abend mit Matthew gewesen. Er hatte darauf bestanden, sie zu begleiten, obwohl sie lieber allein gegangen wäre.
    Donlyn MacGregor hatte sich seit dem Tag, an dem er die Blumen geschickt hatte, nicht mehr bei ihr gemeldet. Harold Kohlman hatte ihm ihre Nachricht offensichtlich nicht ausgerichtet. Ihr blieben noch rund drei Monate Zeit, bis ihr Land im September in Denver versteigert werden sollte. Dann würde sie es unwiederbringlich verlieren. Sie entschied, dass es an der Zeit war, Mr MacGregor aufzusuchen.
    Jede Menge Leute, die mitten in der Woche einkaufen waren, drängten sich auf dem hölzernen Gehweg und strömten aus der Haustür des Postamts und des Kolonialwarenladens. Kathryn fürchtete, sie käme zu spät zu ihrem Vorstellungsgespräch, und gab schließlich den Versuch auf, sich einen Weg durch die vielen Menschen zu bahnen. Stattdessen nahm sie eine Abkürzung durch eine Seitengasse.
    Dabei prallte sie frontal mit jemandem zusammen, der gleich hinter der Ecke stand.
    Der unerwartete Zusammenstoß raubte ihr die Luft. Sie rutschte aus und stürzte fast.
    Aber der Mann fing sie auf und half ihr, auf den Beinen zu bleiben.
    Schließlich gewann Kathryn ihr Gleichgewicht wieder. „Es tut mir so leid. Ich habe nicht aufgepasst …“
    Sie blickte nach oben, aber der Mann drehte den Kopf weg, bevor sie sein Gesicht sehen konnte.
    „Sir, entschuldigen Sie bitte vielmals“, sagte sie noch einmal, während ihr Herz immer noch raste. „Ich hatte es eilig und habe leider nicht aufgepasst.“
    Der Mann hatte ihr den Rücken zugewandt. Er trug eine Strickmütze und ein langärmeliges Hemd, das trotz der Juniwärme an den Handgelenken zugeknöpft war. Er war groß und dünn gebaut, und das Hemd, das er trug, sah aus, als wäre es ihm zwei Nummern zu groß, denn die Nähte hingen weit über seine Schultern nach unten. Sein Atem kam keuchend und schnell, und sie befürchtete plötzlich, sie könnte ihn verletzt haben.
    „Geht es Ihnen gut, Sir?“, versuchte sie es noch einmal und berührte sanft seine Schulter.
    Er zuckte zusammen und atmete scharf ein.
    Kathryn wich zurück. „Es tut mir leid“, flüsterte sie.
    Erst jetzt bemerkte sie die vernarbte Haut, die sich über seinen zu Fäusten geballten Händen spannte. Er drehte sich ein wenig zu ihr um, mit gebeugtem Kopf und geschlossenen Augen. Als sie die narbige, weiße Haut an seinem Hals und auf seiner rechten Wange sah, entfuhr ihr ein kaum hörbarer Ton des Schreckens. Der Mann zuckte zusammen, und Kathryn bedauerte ihre gedankenlose Reaktion sofort. Was hatte dieser arme Mann durchgemacht?
    Sie dachte an das Feuer, das das Bankgebäude zerstört hatte, und an die Überlebenden, von denen Donlyn MacGregor ihr erzählt hatte. Dann rasten ihre Gedanken zu einem schwer verkrüppelten und vernarbten Mann, den sie eines Nachts im Bordell gesehen hatte. „Männer wie er wurden im Krieg im Osten verletzt. Oder im Bergwerk“, hatte Annabelle nüchtern erklärt. „Niemand sonst will sie. Aber sie sind trotzdem Männer. Also kommen sie hierher, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen.“
    Kathryn war fest entschlossen, den Mann neben sich nicht neugierig anzustarren, und warf nur einen schnellen Blick auf ihn. Hatte er eine solche Ablehnung auch erlebt? Er wandte sich weiter ab, als bereite ihm ihre Anwesenheit irgendwie noch mehr Schmerzen, aber etwas an ihm rührte ihr Herz an. Vielleicht waren es seine gebeugten Schultern, die ihn aussehen ließen, als würde er unter einer schweren Last zusammenbrechen.
    Da ihr nichts mehr einfiel, was sie noch sagen könnte, wandte sie sich ab. Nachdem sie einige Schritte gegangen war, zögerte sie und schaute sich noch einmal um. Der Mann lehnte

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